Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Anrechnung von Vermögen des Hilfeempfängers. Ermittlung der angemessenen Wohnfläche bei einem teilweise selbst genutzten Mehrfamilienhaus. Pflicht zur Verwertung eines Mehrfamilienhauses. Vermietung als gleichwertige Verwertungsform. Berücksichtigung von Vermögensfreibeträgen der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft

 

Orientierungssatz

1. Ein Mehrfamilienhaus unterliegt im Hinblick auf die Verwertbarkeit als Vermögen im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht dem Schutz eines selbstgenutzten Hausgrundstücks oder einer Eigentumswohnung und kann somit nicht von der Vermögensverwertung ausgenommen werden.

2. Bei einem im Eigentum eines Grundsicherungsempfängers stehenden Mehrfamilienhaus, in dem der Grundsicherungsempfänger selbst auch eine Wohnung bewohnt, ist bei der Beurteilung der Angemessenheit des selbstgenutzten Wohneigentums nicht nur auf die selbst genutzte Wohnung abzustellen, sondern auf die Gesamtfläche des Hauses, soweit nicht die einzelnen Wohnungen wohnungseigentumsrechtlich getrennt sind.

3. Die Vermietung von Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus, das im Eigentum eines Grundsicherungsempfängers steht, führt regelmäßig nicht dazu, dass die Immobilie nicht mehr als Vermögen berücksichtigt werden kann, jedenfalls soweit die Mieteinnahmen nicht bedarfsdeckend.

4. Die Berücksichtigung eines Vermögensfreibetrages bei der Bedarfsermittlung im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende erfolgt nur, wenn auch tatsächlich Vermögen vorhanden ist. Bei einer aus mehreren Mitgliedern bestehenden Bedarfsgemeinschaft bleibt deshalb ein möglicher Vermögensfreibetrag derjenigen Mitglieder unberücksichtigt, die selbst vermögenslos sind.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die Kläger von der Beklagten trotz vorhandenen Vermögens im Zeitraum vom 10.07.2008 bis 31.01.2009 die Gewährung von zuschussweisen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beanspruchen können.

Der am 00.00.1970 geborene Kläger zu 1) und die am 00.00.1968 geborene Klägerin zu 2) sind die Eltern der am 00.00.1989 geborenen Klägerin zu 3), des am 00.00.1991 geborenen Klägers zu 4) sowie der am 00.00.1993 geborenen Kläger zu 5), 6) und 7). Der Kläger zu 1) ist Eigentümer eines mit einem Dreifamilienhaus bebauten Hausgrundstückes in der C.Straße 0 in C1. Das Grundstück ist 863 m² groß. Die Gesamtwohnfläche des Hauses beträgt 226 m², wovon 95 m² auf die Wohnung im Erdgeschoss, 83 m² auf die Wohnung im Obergeschoss und 48 m² auf die Wohnung im Dachgeschoss entfallen. Die Wohnung im Erdgeschoss wird von den Klägern selbst bewohnt, die beiden anderen Wohnungen sind vermietet. Für die Wohnung im Obergeschoss erzielten die Kläger Mieteinnahmen in Höhe von 370,00 EUR, für die Wohnung im Dachgeschoss in Höhe von 250,00 EUR. In Abteilung III des Grundbuches ist eine Grundschuld zugunsten der Sparkasse Lemgo in Höhe von 84.000,00 EUR eingetragen, die im streitgegenständlichen Zeitraum noch mit 45.000,00 EUR valutierte.

Auf ihren Erstantrag vom 22.10.2006 gewährte die Beklagte den Klägern zunächst zuschussweise Leistungen nach dem SGB II bis einschließlich 31.05.2008. Am 10.07.2008 beantragten die Kläger die Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 29.07.2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus: Die Kläger verfügten über verwertbares Vermögen, namentlich das im Eigentum des Klägers zu 1) stehende Dreifamilienhaus. Der Gutachterausschuss für Grundstückswerte habe in einer vorläufigen Wertaussage einen Verkehrswert von 150.000,00 EUR ermittelt. Abzüglich der auf der Immobilie lastenden Verbindlichkeiten belaufe sich der Verkehrswert auf 59.913,75 EUR. Das Haus sei nicht als selbst genutztes Hausgrundstück geschütztes Vermögen, da es nicht angemessen im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei. Für die aus sieben Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft sei eine Wohnfläche von 190 m² angemessen; die Immobilie übersteige diesen Wert um 25 m² und bewege sich damit auch nicht mehr in einem Toleranzrahmen von 10 Prozent. Unter Berücksichtigung des Hausgrundstückes als Vermögen seien die Kläger nicht hilfebedürftig.

Hiergegen legten die Kläger am 08.08.2008 Widerspruch ein. Die Bedarfsgemeinschaft bewohne lediglich 90 m² des Hauses selbst. Zwei Wohnungen des Hauses seien vermietet, die Kaltmiete werde als Einkommen vom Bedarf der Kläger abgezogen. Es sei aber widersprüchlich, auf der einen Seite die Miete als Einkommen abzusetzen, die Mieter aber bei der Ermittlung der Wohnungsgröße zu ignorieren. Das Haus sei zu einem Drittel abbezahlt. Langfristig sei es für den Leistungsträger wirtschaftlich vorteilhafter, wenn die Kläger das Haus behielten.

Mit Bescheid vom 25.09.2008 gewährte die Beklagte den Kläger darlehensweise Leistungen nach dem SGB II. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.2008 wies sie den Widerspruch als un...

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