Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausabrechnung. Auffälligkeitsprüfung iS von § 275 Abs 1 Nr 1 SGB 5 beinhaltet auch die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Aufwandspauschale. Verzinsung
Orientierungssatz
1. Die grammatikalische, systematische, historische und teleologische Auslegung lässt nur den Schluss zu, dass unter eine Auffälligkeitsprüfung iS von § 275 Abs 1 Nr 1 SGB 5 auch die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit einer Krankenhausrechnung fällt und dass das vom 1. Senat des BSG zB vom 23.6.2015 - B 1 KR 20/14 R = SozR 4-2500 § 108 Nr 4 geschaffene - von § 275 Abs 1c SGB 5 unabhängige - Instrumentarium der sachlich-rechnerischen Richtigkeit den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet, vom Gesetzgeber weder ausdrücklich noch stillschweigend gebilligt wird und daher eine unzulässige Rechtsauslegung bzw Rechtsfortbildung darstellt.
2. Zur Verzinsung des Anspruchs auf eine Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB 5.
Nachgehend
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300,00 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.04.2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Die Berufung wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 300,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Zahlung einer Aufwandspauschale.
In der nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zugelassenen Klinik der Klägerin wurde in der Zeit vom 14.10.2014 bis 17.10.2014 der bei der Beklagten versicherte Herr I L (Versicherter), geboren am 00.00.1945, stationär behandelt. Für diesen Aufenthalt stellte die Klägerin der Beklagten am 29.10.2014 eine Rechnung über 3.794,85 EUR aus.
Die Beklagte beglich diese Rechnung und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung des Behandlungsfalls. Mit einem Schreiben vom 14.11.2014 teilte der MDK der Klägerin mit, die Beklagte habe ihn mit der Begutachtung des Behandlungsfalls nach § 275 Abs. 1c SGB V beauftragt. Zur Prüfung der Prozeduren werde um Übersendung des Entlassungsberichts und des OP-Berichts gebeten.
Nachdem die Klägerin die angeforderten Unterlagen zur Verfügung gestellt hatte, kam der MDK im Gutachten vom 27.02.2015 zu dem Prüfergebnis, die Kodierung des Behandlungsfalls durch die Klägerin sei korrekt.
Mit einer Rechnung vom 02.03.2015 forderte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 EUR.
Die Beklagte lehnte die Zahlung der Aufwandspauschale unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ab. Es habe sich nicht um eine Auffälligkeitsprüfung im Sinne des § 275 Abs. 1c SGB V gehandelt, sondern um eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung, für die keine Aufwandspauschale anfalle.
Am 17.04.2015 hat die Klägerin Zahlungsklage erhoben. Sie vertritt die Ansicht, dass das Gesetz eine Unterscheidung zwischen einer Auffälligkeitsprüfung und einer Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit nicht vorsehe. Die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung sei nach dem klaren Wortlaut der §§ 275 Abs. 1 Nr. 1, 275 Abs. 1c SGB V ein Unterfall der Auffälligkeitsprüfung. Die Rechtsprechung des 1. Senats des BSG, die das anders bewertet, erfolge daher contra legem. Sie laufe auch der Intention des Gesetzgebers zuwider, die übermäßige Nutzung der Einzelfallprüfung durch den MDK einzudämmen. Aus der Gesetzesbegründung gehe hervor, dass der Gesetzgeber jedwede MDK-Prüfung vor Augen gehabt habe. Vor diesem Hintergrund sei auch die ursprüngliche Aufwandspauschale von 100,00 EUR auf 300,00 EUR erhöht worden. In den Gesetzesmaterialien fänden sich jedenfalls keine Hinweise auf eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung. Mit seiner jüngeren Rechtsprechung zur sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung widerspreche der 1. Senat des BSG seiner früheren Rechtsprechung, etwa im Urteil vom 13.11.2012 (B 1 KR 24/11 R), wonach die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung als Unterfall der Auffälligkeitsprüfung angesehen worden sei. Letztlich könne sich die Beklagte aber auch nicht auf eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung im Sinne der Rechtsprechung des BSG berufen, weil dazu auch die Fälle gehörten, in denen die Krankenkassen an der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes Zweifel hätten. Ein solcher Fall liege hier vor. Ferner werde aus der Prüfanzeige des MDK ersichtlich, dass sowohl die Beklagte als auch der MDK von einer Auffälligkeitsprüfung ausgegangen seien.
Die nachträgliche Behauptung, es handele sich um eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung, verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Mit dem am 10.03.2015 eingegangenem Schreiben habe die Beklagte die Zahlung einer Aufwandspauschale endgültig verweigert, so dass der Anspruch ab dem Folgetage zu verzinse...