Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung des Arbeitslosengeld II. Sanktion wegen Verletzung von Pflichten eines Eingliederungsverwaltungsakts. inzidente Rechtmäßigkeitsprüfung bei fehlender Bestandskraft. keine materielle Bindungswirkung. Unzulässigkeit des Erlasses des Ersetzungsbescheides. fehlende Verhandlungsbereitschaft des Grundsicherungsträgers über die Eingliederungsvereinbarung. Ermessensfehlgebrauch bei der Entscheidung über die Verkürzung des Sanktionszeitraumes
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Pflichtverletzung des Leistungsberechtigten gem § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 2 liegt im Fall eines Eingliederungsverwaltungsakts gem § 15 Abs 1 S 6 SGB 2 grundsätzlich nur dann vor, wenn der Eingliederungsverwaltungsakt und die in ihm festgelegte Pflicht rechtmäßig sind. Die bloße Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit des Eingliederungsverwaltungsakts reichen nicht aus.
2. Ist der Eingliederungsverwaltungsakt bestandskräftig, ist seine Rechtmäßigkeit im Rahmen der Sanktion aufgrund der Bindungswirkung des § 77 SGG nicht mehr inzident zu überprüfen. Die bloße Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit des Eingliederungsverwaltungsakts führen nicht zu dieser Bindungswirkung.
3. Die Behörde darf erst dann einen Eingliederungsverwaltungsakt erlassen, wenn Verhandlungen über eine Eingliederungsvereinbarung gescheitert sind oder der Leistungsberechtigte sich solchen Verhandlungen verweigert. Aus dem Nichterscheinen des Leistungsberechtigten zu einem Meldetermin kann nicht auf eine solche Weigerung geschlossen werden.
4. Ermessensfehlerhafte Ausführungen der Behörde hinsichtlich einer möglichen Verkürzung der Sanktion auf sechs Wochen bei unter 25-jährigen gem § 31b Abs 1 S 3 SGB führen zur Rechtswidrigkeit der Sanktion insgesamt. Ermessensfehlerhaft ist es, wenn die Behörde sich in diesem Zusammenhang auf die vorherige vollständige Belehrung des Hilfebedürftigen über die Rechtsfolgen beruft.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 23.01.2015 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15.01.2015, mit dem dieser eine Beschränkung der Leistungen der Antragstellerin auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung festgestellt hat, wird angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Gründe
I.) Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Rechtmäßigkeit einer gegenüber der Antragstellerin festgestellten Sanktion.
Die am 21.02.1990 geborene Antragstellerin steht beim Antragsgegner im Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Antragstellerin und der Antragsgegner schlossen zuletzt am 25.03.2014 eine Eingliederungsvereinbarung mit einem Gültigkeitszeitraum bis zum 24.09.2014 ab.
Mit Schreiben vom 24.10.2014 lud der Antragsgegner die Antragstellerin zu einem Meldetermin am 03.11.2014 ein. Der Antragsgegner führte in dem Schreiben aus, dass die berufliche Situation der Antragstellerin besprochen werden solle. Dass in dem Termin eine neue Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen werden solle, erwähnte er in dem Schreiben nicht. Die Antragstellerin erschien zu dem Termin am 03.11.2014 nicht. Noch am 03.11.2014 erließ der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin einen eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt gemäß § 15 Abs.1 Satz 6 SGB II. Zur Begründung führte er aus, dass eine Eingliederungsvereinbarung mit der Antragstellerin sei nicht zustande gekommen sei.
Unter dem Punkt "Bemühungen von X." heißt es unter anderem:
"Sie unternehmen während der Gültigkeitsdauer der Eingliederungsvereinbarung im Turnus von 1 Monat - beginnend mit dem Datum der Unterzeichnung - jeweils mindestens 8 Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse und legen hierüber im Anschluss an den oben genannten jeweiligen Zeitraum folgende Nachweise vor: Bewerbungen, Eingangsbestätigungen, Einladungen, Absagen etc. Bei der Stellensuche sind auch befristete Stellenangebote und Stellenangebote von Zeitarbeitsfirmen einzubeziehen."
Der Bescheid, der der Antragstellerin am 05.11.2014 per Postzustellungsurkunde zugestellt wurde, enthält keine Rechtsbehelfsbelehrung. Die Antragstellerin legte in der Folge auch keinen Rechtsbehelf gegen den Bescheid ein.
Auch zu einem weiteren Meldetermin vom 02.12.2014 erschien die Antragstellerin nicht.
Mit Schreiben vom 02.12.2014 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin zum möglichen Eintritt einer Sanktion an. Die Antragstellerin habe die ihr obliegenden Eigenbemühungen nicht nachgewiesen. Eine Rückäußerung der Antragstellerin erfolgte hierauf nicht.
Mit Bescheid vom 18.12.2014 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin für den Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum 31.10.2015 monatliche Leistungen in Gestalt des Regelbedarfs in Höhe von € 399,-, von Mehrbedarfen in Höhe von € 152,82 sowie von Bedarfen für Unterkunft und Heizung in Höhe von € 243,-.
Mit Bescheid vom 15.01.2015 stellte der Antragsgegner für die Zeit vom 01.02.2015 bis zum 30.04.2015 eine B...