Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung bzw. Entziehung von Leistungen der Grundsicherung bei verweigerter Untersuchung des Hilfebedürftigen
Orientierungssatz
1. Kommt der Grundsicherungsberechtigte seiner Mitwirkungspflicht aus § 62 SGB 1 nicht nach, so kann der Träger die Leistung nach § 66 SGB 1 versagen oder entziehen.
2. Voraussetzung für den Leistungsbezug ist nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB 2 die Erwerbsfähigkeit des Hilfebedürftigen. Zu deren Feststellung ist dessen ärztliche Untersuchung i. S. des § 62 SGB 1 erforderlich.
3. Die Mitwirkungspflicht nach § 62 SGB 1 ist nicht nach § 65 SGB 1 ausgeschlossen. Sie steht in einem angemessenen Verhältnis zu den in Anspruch genommenen Grundsicherungsleistungen.
4. Ist es dem Leistungsträger nicht nach § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB 1 möglich, sich die erforderliche Kenntnis mit geringerem Aufwand zu beschaffen, so ist er nach § 66 SGB 1 berechtigt, die Grundsicherungsleistung zu versagen bzw. zu entziehen.
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.
Gründe
Nach § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist dann gegeben, wenn eine gewisse Möglichkeit des Obsiegens - auch im Sinne eines Teilerfolges - besteht (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, § 73a, Rn. 7 ff., m.w.N.). Hinsichtlich der Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage bzw. des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes kommt es auf den Zeitpunkt der sog. Bewilligungsreife an (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Kommentar zur ZPO, § 119, Rn. 5, m.w.N.; Leitherer, a.a.O., § 73a, Rn. 7d, m.w.N.; Reichold, in: Thomas/Putzo, Kommentar zur ZPO, § 119, Rn. 4, m.w.N.).
Das Klageverfahren bietet vorliegend keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
In dem - dem Prozesskostenhilfeverfahren zu Grunde liegenden - Klageverfahren wendet sich die Klägerin gegen den Bescheid des Beklagten vom 03.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2019. Mit diesen Bescheiden entzog der Beklagte der Klägerin ab dem 01.06.2019 die zuvor bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 66 SGB I, da die Klägerin eine Mitwirkung zur Feststellung ihrer Erwerbsfähigkeit mehrfach verweigert habe.
Nach den im Verfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe summarisch zu prüfenden Erfolgsaussichten hat der Beklagte der Klägerin die Leistungen zu Recht entzogen. Insoweit wird auf die Ausführungen der Kammer im Beschluss vom 19.07.2019, Az. S 66 AS 3239/19 ER verwiesen:
Die vollständige Entziehung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II war rechtmäßig.
Nach § 66 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) kann der Leistungsträger demjenigen, der eine Sozialleistung erhält und seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt, Leistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Nach § 66 Abs. 3 SGB I dürfen Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Pflicht nicht nachgekommen ist.
Der hier streitgegenständliche Bescheid erfüllt die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1, 3 SGB I.
Der Antragsgegner hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 28.03.2019 zu dem Termin zur ärztlichen Untersuchung am 09.04.2019 bei dem Gesundheitsamt Soest eingeladen und ihr damit eine angemessene Frist zur Nachholung der bisher nicht erfolgten Mitwirkungspflicht i.S.d. § 66 Abs. 3 SGB I gesetzt. Auch hat er die Antragstellerin schriftlich auf die Rechtsfolge der vollständigen Entziehung hingewiesen. Dieser Hinweis genügt den Anforderungen, die an ihn zu stellen sind. Insofern ist auch entgegen der Ansicht der Antragstellerin keine weitere Anhörung erforderlich. § 66 Abs. 3 SGB I beinhaltet insofern eine spezielle Regelung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, welche die §§ 24, 41 Abs. 1 Nr. 3, 42 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) verdrängt (vgl. Voelzke, in: juris-PK SGB I, § 66, Rn. 48).
Die Antragstellerin ist ihrer Mitwirkungspflicht nach § 62 SGB I nicht nachgekommen, da sie sich den ihr zumutbaren Untersuchungsmaßnahmen nicht unterzogen hat. Inhalt der in § 62 SGB I statuierten Mitwirkungspflicht ist die Obliegenheit zur Duldung der zur Feststellung der Leistungsvoraussetzungen erforderlichen Untersuchungen. Diese Duldungsobliegenheit umfasst sowohl die Pflicht zum persönlichen Erscheinen bei dem von dem Leistungsträger ausg...