Entscheidungsstichwort (Thema)
einstweiliger Rechtsschutz. Eingliederungshilfe. hörbehinderter Schüler. Hilfe zur angemessenen Schulbildung. Internatskosten für Nachholung des Abiturs. Anforderung
Orientierungssatz
Zu den Voraussetzungen für das Bestehen eines Anordnungsanspruchs auf Übernahme der Internatskosten gem §§ 53 Abs 1 S 1, 54 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 12 iVm § 12 SGB12§60V (BSHG§47V) für einen hörbehinderten Schüler zur Nachholung des Abiturs nach bestandenem Realschulabschluss und abgebrochener Ausbildung.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Antragsgegner im Rahmen seiner Zuständigkeit als überörtlicher Träger der Sozialhilfe die Kosten für eine Internatsunterbringung der hörgeschädigten Antragstellerin als Eingliederungshilfe zu übernehmen hat.
Die 19xx geborene Antragstellerin leidet seit ihrer Geburt an einer schweren Störung ihres Gehöres in Gestalt einer praktischen Taubheit beidseits, wobei auch ihr Vater praktisch ertaubt und ihre Mutter ebenfalls an Taubheit grenzend schwerhörig ist. Die Ehe der Eltern ist geschieden.
Bei der Antragstellerin ist ein Grad der Behinderung von 100 sowie das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen "G", "H", "RF" und "B" anerkannt.
Im Juli 2000 gelangte der ärztliche Dienst des zuständigen Gesundheitsamtes zu der Einschätzung, aufgrund der Behinderungen der Antragstellerin sei ein Regelunterricht für sie nicht möglich. Bei direkter Ansprache gelinge zwar eine Verständigung, weil die Antragstellerin auch von den Lippen lesen könne. Die Teilnahme an dem Unterricht einer Regelschule komme jedoch wegen der massiven Beeinträchtigungen des Gehörs nicht in Betracht.
Im Jahr 2000 wechselte die Antragstellerin von der Gehörlosen-Schule in x. zur Rheinisch-Westfälischen Realschule für Gehörlose in x., deren Träger der Antragsgegner ist. Der Besuch dieser Schule wurde ihr dadurch möglich, dass sie in x. in einem Internat untergebracht war.
Mit Bescheid vom 08.08.2000 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin Eingliederungshilfe nach § 40 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) a. F. als Hilfe zur angemessenen Schulbildung, die auch die Kostenübernahme der Internatsunterbringung umfasste.
Im Juni 2006 erhielt die Antragstellerin das Zeugnis der Fachoberschulreife, wobei sie in den einzelnen Fächern weit überwiegend gute bis sehr gute Noten erzielte.
Entgegen ihrem eigenen Wunsch, die schulische Ausbildung bis zum Abitur fortzusetzen, begann die Antragstellerin im August 2006 auf Drängen ihres Vaters eine Ausbildung als Fachkraft für Straßenverkehrstechnik, die sie im April 2008 abbrach, wobei sie bis dahin ebenfalls überwiegend gute Noten im Rahmen der Ausbildung an der Berufsschule erzielte.
Im April 2008 beantragte sie bei dem Antragsgegner die Gewährung von Eingliederungshilfe in Gestalt der Kostenübernahme für eine Internatsunterbringung in x., um die dortige Gehörlosenschule bis zum Abitur besuchen zu können.
In einem Schreiben vom 14.05.2008 legte die Antragstellerin nach vorheriger Aufforderung durch den Antragsgegner zum Abbruch ihrer Ausbildung dar, dass es schon immer ihr Wunsch gewesen sei, das Abitur zu machen. Die Ausbildung zur Fachkraft für Straßenverkehrstechnik habe zu keinem Zeitpunkt ihren Wünschen entsprochen und sei von ihr nur auf Drängen ihres Vaters begonnen worden. Die Ausbildung entspreche in keiner Weise ihren Neigungen, insbesondere nicht hinsichtlich der technisch-mathematischen Anforderungen.
Mit Bescheid vom 04.06.2008 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Übernahme der Kosten für eine Internatsunterbringung ab. Zur Begründung führte er aus, die Antragstellerin sei bis Juni 2006 im Westfälischen Schülerinternat in x. stationär betreut worden. Dort habe sie den Realschulabschluss erreicht. Nach § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 12. Buch - Sozialhilfe (SGB XII) solle Wünschen der Leistungsberechtigten, den Bedarf stationär oder teilstationär zu decken, nur entsprochen werden, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalls erforderlich sei und weil anders der Bedarf nicht oder nicht ausreichend gedeckt werden könne. Dabei können solchen Wünschen nicht entsprochen werden, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden sei. Die Antragstellerin vollende im x. 2008 das 20. Lebensjahr. Die Entfernung von ihrem Wohnort x. zum Berufskolleg in x. sei zwar zu weit, um täglich zurückgelegt werden zu können. Es sei der Antragstellerin jedoch zuzumuten, ihren Wohnsitz nach x. zu verlegen, um die Schule gegebenenfalls als externe Schülerin zu besuchen. Eine internatsmäßige Unterbringung zu Lasten der Sozialhilfe sei unverhältnismäßig und verursache unvertretbare Mehrkosten.
Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 24.06.2008 Widerspruch ein. Das Widerspruchsschreiben selbst unterschrieb sie nicht, sie übersandte das Widerspruchsschreiben jedoch in einem frankierten Briefumschlag, auf dem sie handschriftlich sowohl die Anschrift des Antragsgegners, als auch ihre eigene Anschrift und ihren eigenen Namen als Ab...