Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährung des Zinsanspruchs auf Sozialleistungen
Orientierungssatz
1. Nach § 45 Abs. 1 SGB 1 verjähren Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Dies gilt auch für den Zinsanspruch nach § 44 SGB 1.
2. Die Verjährungsfrist ist nur zu berücksichtigen, wenn der Versicherungsträger die Verjährungseinrede erhebt. Hierbei hat er Ermessen auszuüben.
3. Von der Erhebung der Verjährungseinrede hat der Versicherungsträger abzusehen, wenn sie im Einzelfall zu Unbilligkeit oder zu besonderer Härte führt.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Verzinsung von verzögert ausgezahlten Leistungsansprüchen.
Die am 21.07.1987 geborene Klägerin stand im Jahr 2005 gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren zwei jüngeren Schwestern im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) beim Beklagten.
Mit einem gemeinsamen Bescheid vom 04.07.2005 bewilligte der Beklagte für die Mutter und die drei Töchter als Bedarfsgemeinschaft Leistungen für den Zeitraum vom 01.07.2005 bis zum 31.12.2005.
Mit Bescheid vom 30.08.2005, der an die Mutter gerichtet war, hob der Beklagte die Bewilligung ab dem 21.07.2005 für die Klägerin mit der Begründung wieder auf, dass diese ab dem 18. Geburtstag nicht mehr Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gewesen sei.
Die Klägerin beantragte sodann am 24.11.2005 eigenständig Leistungen, woraufhin ihr diese auch ab diesem Datum bewilligt wurden.
Da gegen den Aufhebungsbescheid vom 30.08.2005 kein Widerspruch eingelegt worden war, beantragte die Klägerin im Jahr 2008 die Überprüfung dieses Aufhebungsbescheides.
Nachdem der Überprüfungsantrag abgelehnt worden war, durchlief die Klägerin zunächst erfolglos das Widerspruchsverfahren, bekam dann aber im Ergebnis im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Dortmund mit dem Aktenzeichen S 40 AS (23,28) AS 70/09 ein zusprechendes Urteil. Demnach sollte für den Zeitraum vom 01.07.2005 bis zum 21.11.2005 über den Anspruch der Klägerin hinsichtlich des Regelbedarfes und der Kosten der Unterkunft ein neuer Bewilligungsbescheid erlassen werden. Dieses Urteil wurde im März 2014 verkündet.
Nachdem der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Januar 2015 eine Zwangsvollstreckungsankündigung an den Beklagten absetzte, erließ dieser am 04.02.2015 den entsprechenden Bewilligungsbescheid zur Umsetzung des sozialgerichtlichen Urteils. Der bewilligte Geldbetrag in Höhe von 1.551,82 Euro ging am 09.02.2015 auf dem Konto der Klägerin ein.
Am 05.07.2020 stellte die Klägerin beim Beklagten den Antrag auf Verzinsung des Nachzahlungsbetrages in Höhe von 1.551,82 Euro.
Diesen Verzinsungsantrag lehnte der Beklagte mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 16.12.2020 ab.
Der Verzinsungsantrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass der Anspruch auf Verzinsung nach § 44 Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (SGB I) aufgrund der Verjährung nach § 45 SGB I nicht durchsetzbar sei.
Gegen diesen Ablehnungsbescheid legte die Klägerin am 06.01.2020 Widerspruch ein.
Dieser Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2021 als unbegründet zurückgewiesen.
Daraufhin hat die Klägerin am 29.03.2021 Klage erhoben.
Sie begründet die Klage mit der Auffassung, dass die vierjährige Frist des § 45 SGB I hier nicht greife. Die vierjährige Verjährungsfrist beziehe sich auf Sozialleistungen, nicht aber auf Zinsen, die lediglich auf nicht rechtzeitig gezahlten Sozialleistungen beruhten.
Darüber hinaus habe der Beklagte im Rahmen seiner pflichtgemäßen Ausübung des Ermessens zu berücksichtigen gehabt, dass langjährig Fehler auf seiner eigenen Seite erfolgt seien.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16.12.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2021 zur verurteilen, die infolge des Urteils des Sozialgerichts Dortmund mit dem Aktenzeichen S 40 (28.23) AS 70/09 bewilligten Leistungen ab dem 01.12.2005 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu verzinsen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist im Rahmen der Klageerwiderung auf sein bisheriges Vorbringen und vertritt die Auffassung, dass § 45 SGB I auch auf Zinsen anwendbar sei.
Am 05.05.2021 hat ein Erörterungstermin stattgefunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1, 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen durchsetzbaren Anspruch auf Verzinsung der v...