Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung. Genehmigungsfiktion. Mammareduktionsplastik. fehlende Mitwirkung des Leistungsberechtigten. vorsorgliche Ablehnungsentscheidung. sittenwidriger Verwaltungsakt
Leitsatz (amtlich)
1. Die Genehmigungsfiktion bei einer fehlenden Mitwirkung des Versicherten tritt nur dann nicht ein, wenn die Krankenkasse den Leistungsberechtigten zu einer Mitwirkung auffordert, ihm eine Frist für die Erfüllung der Mitwirkungspflicht setzt und darauf hinweist, dass jedenfalls bis zur Erfüllung der Mitwirkungspflicht die Genehmigungsfiktion nicht eintritt.
2. Können bei einer Aufforderung zu Mitwirkungshandlungen die Fristen im Rahmen der Genehmigungsfiktion nicht eingehalten werden und ergeht deshalb generell eine vorsorgliche Ablehnungsentscheidung, so unterläuft eine derartige Verwaltungspraxis das gesetzgeberische Ziel der Genehmigungsfiktion mit der Folge, dass der Verwaltungsakt sittenwidrig und damit nichtig ist.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 29.05.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.09.2018 verurteilt, der Klägerin eine Mammareduktionsplastik beidseits als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Mammareduktionsplastik beidseits.
Die am XX.XX.XXXX geborene und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin beantragte am 23.05.2018 die Gewährung einer Mammareduktionsplastik beidseits. Zur Begründung reichte sie drei ärztliche Bescheinigungen ein. Die Dres. I/L (FÄe für Hautkrankheiten) attestierten am 14.05.2018 die Erforderlichkeit einer Mammareduktionsplastik beidseits wegen rezidivierender, schmerzhafter Entzündungen unter den Brüsten. Eine Therapie mit einer Cortisoncreme sei ohne langanhaltenden Erfolg geblieben. Mit Attest vom 14.05.2018 empfahlen die Dres. I 1/X (FAe Allgemein Medizin, Neurochirurgie, Sportmedizin) ebenfalls die Durchführung einer Mammareduktionsplastik beidseits. Diese sei wegen rezidivierender, eitriger Brustinfektionen bei stark entwickelten Brustdrüsengewebe mit vergrößerter Mammae erforderlich. Auch die Ärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. F-G bescheinigte am 15.05.2018 die Indikation für eine Reduktionsplastik beidseits. Seit Jahren zeichne sich bei der Klägerin bei einem aktuellen Unterbrustumfang von 99,40 cm, einem Brustumfang von 119 cm mit einer Körpergröße von 1,60 m und einem Körpergewicht 82,70 kg eine stetige Volumenzunahme der Mammae beidseits ab. Dadurch komme es wiederholt zu schmerzhaften Einschränkungen der Beweglichkeit der Wirbelsäule mit Verspannungen. Dies führe zu der Erforderlichkeit einer medikamentösen Schmerzbehandlung.
Mit Bescheid vom 29.05.2018 teilte die Beklagte mit, dass noch eine Fotodokumentation, ggf. der Bericht des Operateurs sowie Angaben bereits durchgeführter konventioneller Therapien von einem Orthopäden fehlen würden. Des Weiteren führte sie aus:
„Aufgrund der fehlenden Unterlagen sind die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme durch die X zum jetzigen Zeitpunkt nicht gegeben. Eine vollständige Klärung innerhalb der gesetzlichen vorgegebenen Frist ist nicht möglich. Wir müssen Ihren Antrag daher ablehnen. Sofern Ihnen die vollständigen Unterlagen vorliegen, reichen Sie diese bitte verbunden mit einem neuen Antrag oder Widerspruch gegen diese Ablehnung ein. Wir werden dann den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung zur Prüfung einschalten.“
Am 28.06.2018 ging bei der Beklagten auf Veranlassung der Klägerin ein „fachärztlich-plastisch-chirurgisches Gutachten“ von Dr. N (FA Plastische und Ästhetische Chirurgie sowie für Chirurgie) mit Bildmaterial basierend auf einer Vorstellung der Klägerin vom 12.06.2018 ein. Unter den Diagnosen Makromastie mit Ptosis III° beidseits, rezidivierende Entzündungen/Abszesse beidseits in der Brustumschlagsfalte, therapieresistente Ekzeme beidseits, rezidivierende Rückenschmerzen mit Klinikaufenthalten sowie einem Zustand nach Brust-OP sei eine Mammareduktionsplastik nach Strömbeck-Weiss mit freiem Mamillentransfer zu empfehlen.
Mit Schreiben vom 03.07.2018 informierte die Beklagte die Klägerin über die Weiterleitung des Antrags an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Im Übrigen werde noch ein formales Widerspruchsschreiben benötigt, denn erst, wenn dieser Widerspruch schriftlich vorliege, könne abschließend über das Ergebnis des Gutachtens informiert werden. Daraufhin legte die Klägerin am 05.07.2018 Widerspruch ein.
In der Kurzstellungnahme vom 03.07.2018 stellte der MDK fest, dass zunächst eine Gewichtsabnahme auf einen BMI von ca. 25 kg/m² und ein konsequentes Halten dieses Gewichts über drei Monate erforderlich seien. Parallel sollten eine orthopädische Mitbehandlung und eine adäquate BH-Versorgung erfolgen. Vorher bestehe keine Indikation. Mit Schreiben vom 09.07.2018 wies die Beklagte darauf hin, dass eine Kostenübernahme für die beantragte Mammareduktionsp...