Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Nordrhein-Westfalen. Bezirksregierung Münster. Zuständigkeit für den Erlass von Widerspruchsbescheiden. Rückwirkung

 

Orientierungssatz

1. Die Sonderzuständigkeit der Bezirksregierung Münster für den Erlass von Widerspruchsbescheiden in Angelegenheiten nach §§ 69 und 145 SGB 9 besteht gem Art 4 JuMoG NW (GV NW 2010, 30) rückwirkend ab dem 1.1.2008.

2. Gegen die durch Art 4 JuMoG angeordnete Rückwirkung bestehen keine durchgreifenden Bedenken im Hinblick auf die als Teilgebote des Rechtsstaatsprinzips durch Art 20 Abs 3 GG verfassungsrechtlich geschützten Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes.

 

Tenor

1.Die Klage wird abgewiesen.

2.Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Grad der Behinderung (GdB) des Klägers aufgrund des Änderungsantrags vom 30.10.2007 rückwirkend ab dem 06.04.2006 mit mindestens 50 zu bewerten ist.

Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 16.08.2007 stellte das damals zuständige Versorgungsamt bei dem Kläger einen GdB von 40 fest. Es setzte damit einen vor dem Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) geschlossenen Vergleich um, der auf dem Hinweis des Senatsvorsitzenden beruhte, dass der Einzel-GdB für den Funktionsbereich Wirbelsäule doch schon mit 40 bewertet werden könne. Der ärztliche Berater des Versorgungsamtes war zuvor von einem Gesamt-GdB von 30 auf Grundlage folgender Funktionsbeeinträchtigungen ausgegangen: (1.) Brustwirbelsäulen-Lendenwirbelsäulen-Syndrom, abgelaufene Scheuermann-Erkrankung, Entkalkung, Verformung der Wirbelsäule, Beinverkürzung links von 0,5 cm, Wirbelgleiten (Einzel-GdB 30); (2.) Handgelenksverschleiß links (Einzel-GdB 10).

Unter dem 30.10.2007 beantragte der Kläger, seinen GdB aufgrund zusätzlicher Gesundheitsstörungen soweit als möglich rückwirkend mit mindestens 50 festzustellen. Zur Begründung legte er einen vom Sozialgericht Dortmund in einem dort anhängigen Rentenverfahren eingeholten Befundbericht des behandelnden Arzt Dr. xxx (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, xxx) vom 28.06.2007 vor. Das Versorgungsamt holte daraufhin selbst einen Befundbericht bei Dr. xxx ein (Befundbericht vom 13.11.2007). Nach Auswertung dieser Unterlagen kam der ärztliche Berater des Versorgungsamtes zu dem Ergebnis, dass der Gesamt-GdB der Klägerin weiterhin mit 40 zu bewerten sei, wobei folgende Funktionsstörungen zu berücksichtigen seien: (1.) Brustwirbelsäulen-Lendenwirbelsäulen-Syndrom, abgelaufene Scheuermann-Erkrankung, Entkalkung, Verformung der Wirbelsäule, Beinverkürzung links von 0,5 cm, Wirbelgleiten, Kopfschmerzsyndrom (Einzel-GdB 40); (2.) Handgelenksverschleiß links (Einzel-GdB 20). Daraufhin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 17.01.2008 den Antrag des Klägers ab.

Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein, den er damit begründete, dass der bisherige Gesamt-GdB von 40 allein auf seinen Wirbelsäulenerkrankungen beruhe. Aufgrund der Befundberichte des Dr. xxx sei zusätzlich ein Einzel-GdB für den Bereich Kopf und Gesicht von 20 bis 40 zu berücksichtigen, so dass sich ein Gesamt-GdB von mindestens 50 ergebe. Dass Kopfschmerzsyndrom im Rahmen des Einzel-GdB für die Wirbelsäulenerkrankungen zu berücksichtigen sei unzulässig. Denn das Schwerbehindertenrecht unterscheide zwischen Beeinträchtigungen von Kopf / Gesicht und Haltungs- und Bewegungsorganen und außerdem seien die im Rahmen der Wirbelsäulenschäden zu berücksichtigenden Erkrankungen durch den vor dem LSG NRW geschlossenen Vergleich abschließend und rechtsverbindlich festgelegt. Der Beklagte legte den Widerspruch seinem ärztlichen Berater vor, der aber auch jetzt zu keiner für den Kläger günstigeren Bewertung kam. Daraufhin legte der Beklagte die Sache der Bezirksregierung Münster zur Entscheidung vor, die den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2008 als unbegründet zurückwies.

Am 28.07.2008 hat der Kläger Klage erhoben.

Zur Begründung wiederholt der Kläger im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und legt Kopien der Befundberichte des Dr. xxx vom 28.06.2007 und 13.11.2007, des Protokolls der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem LSG NRW vom 31.07.2007 sowie ein von Dr. xxx ausgestelltes Rezept vom 23.07.2009 vor. Ergänzend führt er aus, dass sich die Auswirkungen des Kopfschmerzsyndroms hinreichend aus der verordneten Medikation und der Tatsache ergeben, dass Dr. xxx ihm im Befundbericht vom 28.06.2007 eine Arbeitsfähigkeit nur noch für leichte Tätigkeiten und zwischen 2 und 3 Stunden pro Tag attestiere.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 17.01.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides vom 16.08.2007 ab dem 06.04.2006 bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf die Begründungen der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen.

Das Geric...

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