Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. Zeithorizont für anfallenden Hilfebedarf
Leitsatz (amtlich)
Maßgeblicher Zeithorizont für die Dauer und die Ermittlung des tagesdurchschnittlichen Pflegeaufwands iS des § 15 Abs 3 SGB 11 ist der in § 14 Abs 1 SGB 11 genannte Abschnitt von voraussichtlich sechsmonatiger Dauer. Bei schubweise auftretenden Erkrankungen in einer Schubhäufigkeit von mehreren Schüben in diesem Abschnitt ist ein Langzeitdurchschnitt bezogen auf den 6-Monate-Zeitraum zu bilden.
Tatbestand
Der Rechtsstreit wird um Leistungen des Sozialgesetzbuches Elftes Buch (SGB XI) bei vollstationärer Pflege geführt.
Die 1909 geborene und bei der Beklagten gesetzlich pflegeversicherte Beigeladene wird wegen Altersgebrechlichkeit, Gehirnabbaus (hirnorganischen Psychosyndroms HOPS) und einer bereits seit 1984 bestehenden, schubweise auftretenden Bewußtseinsspaltung in Form einer sog. paranoid-halluzinatorischen, schizophrenen Psychose seit 1996 im xxx-Heim ... in H versorgt und gepflegt.
Die nicht aus Einkommen und Vermögen gedeckten Kosten der Heimunterbringung werden seit der Heimaufnahme von der Klägerin aus Sozialhilfemitteln getragen. Die Beigeladene stellte parallel einen Antrag bei der Beklagten auf die Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung bei vollstationärer Pflege. Die Beklagte veranlaßte eine Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), bei der im April 1996 zunächst noch kein Hilfebedarf in den Bereichen der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität bis auf die Hilfe bei Arztbesuchen festgestellt wurde. Diesem Gutachten folgend, lehnte die Beklagte den Antrag der Beigeladenen durch Bescheid vom 13.06.1996 ab und blieb hierbei auch, nachdem die Klägerin hiergegen Widerspruch erhob und der MDK, nach Aktenlage erneut eingeschaltet, das Vorgutachten bestätigte (Widerspruchsbescheid vom 14.07.1998).
Mit ihrer rechtzeitig bei dem Sozialgericht Dortmund erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Leistungen bei vollstationärer Pflege für die Beigeladene weiter und bezieht sich zur Begründung im wesentlichen auf ein im Heim geführtes Pflegetagebuch sowie auf die dortige Pflegedokumentation, in der ein pflegerischer Zeitaufwand in Höhe von 72 Minuten täglich aufgeführt wird. Unter Hinweis auf eine im laufenden Klageverfahren auf Veranlassung der Beklagten im August 1999 durchgeführte weitere Begutachtung durch den MDK -- hier den Zeugen Dr. B -- in welcher nunmehr unter Berücksichtigung des aktuellen Gesundheitszustandes und der schubweise auftretenden halluzinatorischen Phasen das Bestehen von erheblicher Pflegebedürftigkeit im Sinne der Pflegestufe I angenommen wird, beantragt die Klägerin,
die Beklagte unter entsprechender Änderung des Bescheides vom 13.06.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.1998 zu verurteilen, Leistungen gemäß Art. 49a § 1 Abs. 1 Pflegeversicherungsgesetzes i.V.m. § 43 Abs. 2 SGB XI bei vollstationärer Pflege entsprechend der Pflegestufe I mit Wirkung ab dem 01.02.1998 für die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuung sowie die Aufwendungen der Leistungen der medizinischen Behandlungspflege der Beigeladenen an die Klägerin zu erbringen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die getroffene Verwaltungsentscheidung für rechtmäßig und meint, dass der schubweise auftretende Hilfebedarf der Beigeladenen im Gegensatz zur Einschätzung des MDK nicht berücksichtigt werden dürfe, da dieser Hilfebedarf nicht dauerhaft wöchentlich im Tagesdurchschnitt über 45 Minuten liege.
Das Gericht hat nach Beiziehung der Verwaltungsakten der Beklagten zunächst die Beiladung der Beigeladenen gem. § 75 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beschlossen und Befundberichte der behandelnden Ärzte sowie die Pflegedokumentation des Heimes angefordert. Im Verhandlungstermin vom 17.03. hat die Kammer den beratenden Arzt Dr. B, der dass MDK-Gutachten, auf welches sich die Klägerin bezieht, erstellt hatte, als Zeugen vernommen.
Der Zeuge hat angegeben, die Beigeladene bei seiner Begutachtung im August 1999 in guter Tagesform angetroffen zu haben. Zusätzlich habe er bei seiner sozialmedizinischen Beurteilung vorliegende fremdpsychiatrische Befunde und die Pflegedokumentationen des Heimes berücksichtigt. Im Vordergrund stehe die Minussymptomatik. Ca. alle acht Wochen komme es zu sogenannten Excerbationen der Psychose, wodurch sich der Pflegeaufwand nach den realistischen Angaben des Heimes bis auf 150 Minuten täglicher Grundpflege erhöhe. In den Zwischenphasen mit teilweise guter Tagesform der Beigeladenen sei der Pflegeaufwand unter Umständen geringer als 45 Minuten täglich. Im 6-Monats-Durchschnitt sei diese Grenze indes überschritten.
Wegen des Beweisergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 17.03. verwiesen. Die Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens ergeben sich aus den gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen. Die Gerichts- und die Verwaltungsak...