Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Unterkunft und Heizung. Einpersonenhaushalt in Brilon im Hochsauerlandkreis in Nordrhein-Westfalen. Angemessenheitsprüfung. Anforderungen an das schlüssige Konzept des Sozialhilfeträgers. ländlicher Bereich. Bildung von Wohnungsmarkttypen. Clusteranalyse. unzureichende Abbildung der aktuellen Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Aufstellung eines schlüssigen Konzepts zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten ist Aufgabe des Grundsicherungsträgers. Im Rahmen der Methodenfreiheit ist es zulässig, die angemessene Bruttokaltmiete unter Einbeziehung der Nachfrageseite abzuleiten (Anschluss an BSG vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R = BSGE 117, 250 = SozR 4-4200 § 22 Nr 81).

2. Das schlüssige Konzept muss eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarkts wiedergegeben werden. Die Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze im Jahr 2014 der Anteil der sonstigen Nachfrager im unteren Segment auf der Grundlage einer bundesweiten Erhebung aus dem Jahr 2006 festgelegt wird.

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 28.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2014 und des Änderungsbescheides vom 28.09.2014 wird abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII unter Berücksichtigung von Unterkunftskosten i.H.v. 321,- € pro Monat zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

4. Die Berufung wird zugelassen.

5. Die Sprungrevision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt höhere Leistungen für die Unterkunft im Rahmen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII).

Die im Jahr 1936 geborene Klägerin hat vier Kinder und ist geschieden. Sie verfügt über einen Schwerbehindertenausweis mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 und den Merkzeichen G und RF. Die gesundheitlichen Einschränkungen bestehen in einem Augenleiden, einem Wirbelsäulen-Syndrom und einem Hüftleiden.

Die Klägerin bezog ab dem 01.07.2013 eine Altersrente i.H.v. 597,59 €. Sie wohnte zunächst in Olsberg und erhielt bereits dort ergänzende Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII.

Die Klägerin zog dann zum 01.07.2014 nach Brilon um, weil dort auch eine Tochter lebt, von der sie Unterstützung erfährt. Sie mietete eine Erdgeschosswohnung an, nach dem Mietvertrag und der vorgelegten Mietbescheinigung beträgt die Wohnfläche 65 qm. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin eine Heizkostenabrechnung vorgelegt, wonach die Wohnfläche lediglich 56 qm beträgt. Die Miete beläuft sich auf 300,- € und die Abschläge für die Neben- und Heizkosten betragen jeweils 70,- €. Die Klägerin bewohnt die Wohnung allein, eine Zustimmung zur Anmietung hat sie bei der Beklagten nicht eingeholt.

Auf den Antrag vom 02.06.2014 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 28.06.2014 Leistungen der Grundsicherung für den Zeitraum 01.07.2014 bis 30.06.2015. Die Miete kürzte sie um 68,51 € und den Abschlag für die Nebenkosten um 15,99 €, so dass insgesamt Unterkunftskosten i.H.v. 285,50 € bewilligt wurden. Der Abschlag für die Heizkosten wurde in voller Höhe anerkannt.

Die Klägerin legte gegen den Bescheid am 28.07.2014 Widerspruch ein. Diesen begründete sie damit, dass die vorgenommenen Kürzungen nicht rechtmäßig seien, da die Aufwendungen für die Unterkunft angemessen seien.

Am 04.09.2014 legte die Klägerin einen neuen Rentenbescheid vor, der Zahlbetrag hatte sich aufgrund der sog. Mütterrente für vier Kinder auf 710,27 € erhöht.

Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2014 zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Hochsauerlandkreis aus, dass die Klägerin keinen weitergehenden Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung habe. Der Regelsatz und der Mehrbedarf seien in gesetzlicher Höhe bewilligt worden. Es sei aufgrund einer Analyse des örtlichen Wohnungsmarktes ein schlüssiges Konzept entwickelt worden und danach seien für eine alleinstehende Person in der Stadt Brilon Unterkunftskosten i.H.v. 285,50 € angemessen. Diese seien der Klägerin bewilligt worden, so dass kein weitergehender Anspruch bestehe.

Mit Bescheid vom 28.09.2014 änderte die Beklagte die Bewilligung insoweit ab, als sie ab dem 01.10.2014 die neue Rente i.H.v. 710,27 € auf die Leistungen anrechnete. Im Übrigen blieb es bei den bisherigen Festsetzungen.

Die Klägerin hat am 20.10.2014 Klage erhoben. Diese begründet sie damit, dass ihre Unterkunftskosten vollständig zu übernehmen seien. Der Umzug nach Brilon sei erforderlich gewesen, da sie zum einen aufgrund ihrer Erkrankungen die Treppen zu der alten Wohnung nicht mehr habe bewältigen können. Sie sei bereits mehrfach gestürzt. Zum anderen habe sie in die Nähe ihrer Tochter ziehen müssen, die wesentlich zu ihrer Versorgung beitrage. Die Wohnung habe sie nach...

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