Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit einer zwischen einem pharmazeutischen Unternehmen und einer Kassenärztlichen Vereinigung geschlossenen Ergänzungsvereinbarung zur Pauschalvergütung von Kontrastmitteln
Orientierungssatz
1. Nach § 82 Abs. 2 S. 1 SGB 5 sind die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) berechtigt, die Vergütung der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte durch Gesamtvergütung zu regeln. Demgemäß kann auch die Verordnung von Sprechstundenbedarf im Wege des Gesamtvertrags geregelt werden. In diesem Rahmen ist die Vereinbarung von Kostenpauschalen für bestimmte Materialien, u. a. für Röntgenkontrastmittel, zulässig.
2. Zu den sonstigen Leistungserbringern i. S. der §§ 69 Abs. 1, 63, 64 SGB 5 zählen auch die pharmazeutischen Unternehmen.
3. § 19 GWB verbietet in Abs. 1 die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen. Nach Abs. 3 wird vermutet, dass ein Unternehmen marktbeherrschend ist, wenn es einen Marktanteil von mindestens einem Drittel hat.
4. Beträgt der Gesamtumsatz eines pharmazeutischen Unternehmens im Bereich der Kontrastmittel insgesamt 11,5 Mio. E. und in dem von einer Ergänzungsvereinbarung ausschließlich betroffenen Zuständigkeitsbereich einer KV lediglich 1,8 Mio. €., so verbietet sich die Annahme, dass der Pharmahersteller zur Erhaltung seiner Wettbewerbsfähigkeit auf die KV angewiesen sei. Damit ist die Klage eines pharmazeutischen Unternehmens auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Ergänzungsvereinbarung zur Sprechstundenbedarfsvereinbarung abzuweisen, mit der Kostenfolge aus § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer zwischen den Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern geschlossenen "Ergänzungsvereinbarung", derzufolge die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Radiologen in Westfalen-Lippe ihre Kosten für bestimmte Kontrastmittel nach Pauschalen erstattet bekommen sollten.
Die Klägerin hat im Wege einer Abspaltung nach §§ 123 ff. des Umwandlungsgesetzes mit Wirkung zum 28.06.2013 von der Firma D (Fa. D), der deutschen Konzerntochter eines amerikanischen Medizingeräteherstellers mit Konzernsitz in Irland, deren Kontrastmittelsparte übernommen. Diese Sparte umfasst im Wesentlichen die jeweils in verschiedenen Konzentrationen, Handelsformen und Packungsgrößen hergestellten Produkte Optiray (Röntgen-Kontrastmittel) und Optimark (MRT-Kontrastmittel). Nach Angaben der Fa. D betrug der Gesamtumsatz des Jahres 2009 in allen ihren Geschäftsbereichen, die eine vielfältige Palette medizinischer und pharmazeutischer Produkte umfassten, ca. 260 Mio EUR; davon entfielen ca. 11,5 Mio EUR auf den Vertrieb der Kontrastmittel, wobei der Umsatz im Bereich der Beklagten zu 1) mit ca. 1,8 Mio EUR beziffert wurde.
Für die Zeit bis Ende 2009 hatten vertragsärztlich tätige Radiologen in Westfalen-Lippe Kontrastmittel für bildgebende Verfahren getrennt vom übrigen Sprechstundenbedarf (SSB) auf gesonderten Verordnungsblättern (Muster 16) anzufordern. Auf dieser Grundlage rechnete der jeweilige Lieferant die Kosten des Kontrastmittels mit der Krankenkasse ab.
Am 01.12.2009 schlossen die Beklagten (bzw. deren Rechtsvorgänger) eine "Ergänzungsvereinbarung zur Vereinbarung über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf vom 01.07.2008". Danach sollten vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 für Radiologen die in den Anlagen 2a und 2 b aufgeführten Pauschalen für Kontrastmittel gelten.
Diese Anlagen lauten, soweit vorliegend von Interesse, wie folgt:
Anlage 2 a: Vergütung nicht-ionischer Kontrastmittel für niedergelassene Radiologen
1. Für den patientenbezogenen Verbrauch an nicht-ionischen Kontrastmitteln gilt mit Ausnahme der Ziffer 2 eine Pauschale in Höhe von 0,47 EUR je ml. inkl. Überleitsystem und MWSt.
2. Für den in Ausnahmefall erforderlichen Einsatz nicht-ionischer, dimerer Kontrastmittel bei Hochrisikopatienten mit Niereninsuffizienz (Kreatinin über 1,5 mg/DL) gilt abweichend von Ziffer 1 eine Pauschale in Höhe von 1,10 EUR je ml inkl. Überleitsystem und MWSt. Die Notwendigkeit der besonderen Kontrastmittelgabe sowie die Aufklärung des Patienten über mögliche Nebenwirkungen sind in der Patientenakte gesondert zu dokumentieren.
3. Bei der Abrechnung ist die Menge je Patient in Milliliter durch 5 zu teilen und der sich daraus ergebende Wert mit der jeweiligen Symbolnummer (SNR) zu multiplizieren. Die SNR sind wie folgt bewertet:
SNR Typ Wertigkeit je 5 ml 91061 monomer 2,35 Euro (= 0,47 Euro x 5) 91062 dimer 5,50 Euro (= 1,10 Euro x 5)
[ ].
Anlage 2 b Vergütung Gadolinium (MRT-Kontrastmittel) für niedergelassene Radiologen
Für den patientenbezogenen Verbrauch an MRT-Kontastmitteln gilt eine Pauschale in Höhe von 3,75 EUR je ml (Ausnahme Wirkstoff Gadobutrol = 0,5 ml) inkl. Applikationshilfen zur Verabreichung der Mittel und MWSt.
Mittel mit den Wirkstoffen Gadoxetsäure und Gadovosfeset werde...