Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen. Beschäftigung von Schwarzarbeitern. 30jährige Verjährungsfrist bei vorsätzlich vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträgen
Orientierungssatz
Arbeitgeber, die Arbeitnehmer vorsätzlich in Schwarzarbeit beschäftigen und somit die für diese fälligen Sozialversicherungsbeiträge vorsätzlich vorenthalten, müssen für die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge 30 Jahre lang einstehen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 24495,- Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen aus einer Betriebsprüfung der Beklagten bei der Klägerin für die Jahre 1995 bis 1998.
Nach einer Anhörung vom 16.12.2002 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 13.7.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2006 gegenüber der Klägerin eine Beitragsforderung von 40.314,51 Euro einschließlich Säumniszuschlägen von 15.819,78 Euro fest. Sie stützte sich dabei auf eine Erklärung des Geschäftsführers der Klägerin und seiner Steuerberaterin vom 20.01.1999, in der im Rahmen einer Verständigung über die Abwicklung eines steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens eingeräumt worden war, dass die Stundenaufzeichnungen auf Aushilfslohnquittungen der pauschal besteuerten Aushilfskräfte nicht mit den verfahrenen Stunden auf den Tachoscheiben übereinstimmten. Da wegen formeller Mängel bei den Stundenaufzeichnungen eine Pauschalierung nicht möglich sei, würden 50 % der ausgezahlten Aushilfslöhne mit einem Nettoübernahmesteuersatz von 20 % nachversteuert (Aushilfslöhne 1995: 45195 DM, 1996: 45205,- DM, 1997: 68924,- DM, 1998: 75225,- DM). Herr xxx räumte ein, die sich aus dieser tatsächlichen Verständigung ergebenden Mehrsteuern abzüglich eines Sicherheitsabschlages von 20 % vorsätzlich verkürzt zu haben. Die Beklagte erhob auf der Grundlage dieser Feststellungen im Rahmen eines Beitragssummenbescheides Sozialversicherungsbeiträge nach, da anhand der Ergebnisse einer Befragung der Beschäftigten zu Beschäftigungszeiträumen, Arbeitszeiten, Einmalzahlungen und Arbeitsentgelten und der Aufzeichnungen der Klägerin keine persönlich zuzuordnenden Feststellungen möglich seien. Mangels geeigneter Lohnunterlagen lasse sich nicht ermitteln, ob geringfügige Beschäftigungen vorgelegen hätten. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass ihre Fahrer die Fahrtenschreiber fehlerhaft bedient oder Stundenquittungen fahrlässig erstellt haben könnten. Die Aufzeichnungspflicht obliege nach § 28 f Abs. 1 SGB IV i.V.m. § 2 BÜVO dem Arbeitgeber. Die Beitragserhebung nach der im Steuerverfahren geschätzten Summe der Arbeitsentgelte beruhe auf dem Grundsatz der objektiven Beweislast. Insoweit gehe die Nichterweislichkeit geringfügiger Beschäftigungen zu Lasten der Klägerin. Die Beitragsansprüche seien seien nicht verjährt, weil die Sozialversicherungsbeiträge vorsätzlich vorenthalten worden seien. Der Geschäftsführer der Klägerin habe Schwarzarbeit eingeräumt. Da Steuern und Sozialversicherungsbeiträge aus dem laufenden Arbeitsentgelt parallel abzuführen seien, sei davon auszugehen, dass mit den unzutreffenden Stundenaufzeichnungen nicht nur Lohnsteuern hinterzogen, sondern auch Sozialversicherungsbeiträge vorenthalten werden sollten. Eine im Jahre 1998 vorangegangene Betriebsprüfung führe nicht zur Verwirkung der Beitragsforderungen, weil bei Betriebsprüfungen das Vertrauen der Beitragsschuldner in die Nichtbeanstandung einer unterbliebenen Beitragsentrichtung nicht geschützt sei (Hinweis auf: BSGE 93,119 S. 129).
Zur Begründung der am 14.02.2006 erhobenen Klage führt die Klägerin an, die Beiträge für die Jahre 1995 bis 1997 seien verjährt. Es liege kein bedingter Vorsatz zur Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen vor. Die Klägerin habe vielmehr für sämtliche geringfügig beschäftigte Mitarbeiter von diesen ausgefüllte und unterschriebene Aushilfslohnquittungen erhalten. Die tatsächliche Verständigung mit dem Finanzamt beruhe gerade darauf, dass der Sachverhalt nicht weiter aufklärbar gewesen sei. Lediglich für einen Teil der Aushilfsquittungen sei festgestellt worden, dass diese formell nicht ordnungsgemäß gewesen seien. Die textbausteinmäßig in der tatsächlichen Verständigung mit dem Finanzamt aufgeführte Darstellung eines Vorsatzes des Geschäftsführers der Klägerin sei inhaltlich falsch, sie könne sich im übrigen auch nur auf die davor erwähnten Formverstöße beziehen, da materiell-rechtliche Verstöße gar nicht festgestellt worden seien. Soweit angegeben worden sei, dass bei einzelnen geringfügig beschäftigten Mitarbeitern die Arbeitszeiten in Aushilfsquittungen nicht identisch mit den Tacho-Diagrammscheiben gewesen seien, werde dies mit Nichtwissen bestritten. Hier seien bekannte Fehlerquellen in der Handhabung der Aufzeichnungsgeräte zu berücksichtigen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, angesichts der Unergiebigkei...