Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Pflicht zur Beantragung vorrangiger Leistungen. Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente. Notwendigkeit der vorherigen Tatsachenermittlung und Ermessensausübung
Orientierungssatz
Für die Aufforderung des Grundsicherungsträgers an eine Arbeitslosengeld II beziehende Person, vorzeitig die Altersrente gem § 12a SGB 2 zu beantragen, hat er die maßgeblichen Tatsachen insbesondere zur Rentenhöhe vorher zu ermitteln und darauf aufbauend eine umfassende Ermessensausübung vorzunehmen.
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der vor dem Sozialgericht Dresden unter Aktenzeichen S 28 AS 911/14 anhängigen Klage wird gegen den Bescheid vom 14.1.2014 angeordnet.
2. Der Antragsgegner erstattet der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Aufforderung, vorzeitig die Altersrente zu beantragen.
Die 1950 geborene Antragstellerin ist verwitwet und bezieht seit 2005 Arbeitslosengeld II, zuletzt in Höhe von monatlich 768,93 € (bei einem unstreitigen Gesamtbedarf von 789,66 €). Sie erhält daneben eine große Witwenrente von derzeit 50,73 € ausgezahlt. Ihr Eintritt in die Regelaltersrente erfolgt laut Renteninformation vom 20.1.2014 zum 8.3.2016 und prognostiziert für diesen Zeitpunkt eine monatliche Altersrente von 725,13 €, unter Berücksichtigung möglicher Rentenanpassungen von "etwa 730 €".
Mit Bescheid vom 14.1.2014 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, bis spätestens zum 31.1.2014 eine geminderte Altersrente bei der Deutschen Rentenversicherung zu beantragen. Der Antragsgegner führte hierfür aus, er sei unter Abwägung aller Gesichtspunkte zu der Entscheidung gekommen, die Antragstellerin zur Beantragung vorrangiger Leistungen aufzufordern. Das Jobcenter sei gehalten, wirtschaftlich und sparsam zu handeln. Es seien keine maßgeblichen Gründe ersichtlich, welche gegen die Beantragung der vorrangigen Leistungen sprächen. Der Antragsgegner wies zudem auf seine Befugnis hin, den Rentenantrag ersatzweise zu stellen, falls die Antragstellerin der Aufforderung nicht umgehend nachkomme.
Der Antragsgegner kannte bei der Aufforderung vom 14.1.2014 nur das reguläre Renteneintrittsdatum, aber weder die zu erwartende Regelaltersrente noch die geminderte Altersrente der Höhe nach.
Die Antragstellerin erhob am 26.1.2014 gegen diese Aufforderung Widerspruch, mit dem sie geltend macht, dass der Antragsgegner ihre individuelle Situation nicht beachtet habe. Der Antragsgegner solle vor der Aufforderung Ermessen ausüben. Nach ihrer letzten Renteninformation würde ihr Rentenanspruch existenzsichernd sein, bei einer vorzeitigen Inanspruchnahme aufgrund der Abschläge wäre sie aber dauerhaft auf den Bezug von Grundsicherungsleistungen angewiesen.
Der Antragsgegner wies diesen Widerspruch zwischenzeitlich mit Bescheid vom 31.1.2014 zurück. Es liege kein Fall vor, der die vorzeitige Beantragung der Altersrente als unbillig im Sinne der Unbilligkeitsverordnung erscheinen lasse. Da die vorzeitige Inanspruchnahme der Rente den aktuellen Hilfebedarf verringern würde, müsse es aus Sicht des Antragsgegners unbeachtlich bleiben, dass die geminderte Altersrente nach Darlegung im Widerspruch den Lebensunterhalt der Antragstellerin vermutlich nicht vollständig decken wird. Andere Gründe, welche in die Ermessensabwägung einzubeziehen wären, seien nicht vorgetragen worden.
Die Antragstellerin hat danach unverzüglich Klage gegen die Aufforderung vom 14.1.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2014 eingereicht, die unter Az. S 28 AS 911/14 anhängig und noch nicht entschieden ist.
Zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches und zur Vermeidung einer Leistungseinstellung beantragte die Antragstellerin bereits am 28.1.2014 einstweiligen Rechtsschutz, für den auf die Begründung des Widerspruchs verwiesen wurde. Bereits die Aufforderung zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen sei eine Ermessensentscheidung. Das Ermessen sei hier fehlerhaft ausgeübt worden, da dem Bescheid vom 14.1.2014 und auch dem Widerspruchsbescheid gar nicht entnommen werden könne, welche Gesichtspunkte überhaupt abgewogen wurden. Der vorzeitige Bezug einer geminderten Rente hätte zur Folge, dass die Antragstellerin einerseits von SGB-II-Leistungen, andererseits aber auch mangels Erreichen der Altersgrenze von Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII ausgeschlossen sei und zunächst nur aufstockend Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 17 ff. SGB XII beziehen könnte, für die jedoch angesichts der abweichenden Vermögensfreibeträge eine neue Bedarfsermittlung erfolgen müsste. Anschließend wäre die Antragstellerin dauerhaft auf aufstockende Grundsicherungsleistungen im Alter angewiesen. Die Regelaltersrente sei zusammen mit der Witwenrente dagegen bedarfsdeckend. Für die vom Antragsgegner im ER-Verfahren errechnete Unterdeckung von monatlich 13,80 € sei es lebensfremd, einen SGB-XII-Antrag der Antragste...