Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegfall des Arbeitslosengeld II. Nichtanwendbarkeit des § 31 Abs 2 Nr 4 SGB 2 auf Personen ohne Bezug zum Versicherungssystem des SGB 3. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Anhörung. Recht auf mündliche Äußerung im Verwaltungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Der Vorschrift des § 31 Abs 2 Nr 4 SGB II nicht unterworfen sind Personen, die keine Versicherungszeiten nach dem SGB III zurückgelegt haben und auch sonst aktuell nicht in das SGB III-Versicherungssystem eingebunden sind.
2. Auf Grund der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens (§ 9 S 1 SGB X) besteht grundsätzlich das Recht der Beteiligten, sich mündlich an die Behörde zu wenden. Wenn ein Leistungsempfänger auf die schriftliche Anhörung zu einer Sanktion schriftlich um die Ermöglichung einer mündlichen Äußerung zu dem Vorwurf bittet, darf die Behörde die Sanktion nicht ohne weiteres erlassen, sondern ist zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Leistungsempfängers verpflichtet, diesem die gewünschte mündliche Anhörung zu ermöglichen und ihm einen Termin hierfür vorzuschlagen.
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 5. Februar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2018 wird angeordnet.
II. Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Verhängung einer Sanktion im Rahmen der Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für den Zeitraum vom 1. März 2018 bis 31. Mai 2018.
Der 1980 geborene Antragsteller bezieht Leistungen nach dem SGB II vom Antragsgegner. Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 18. Oktober 2017 bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 10. Oktober 2017 für November 2017 733,40 €, für Dezember 2017 747 € und für den Zeitraum von Januar bis Oktober 2018 monatlich 761 €. Am 13. Oktober 2017 schloss der Antragsteller mit der Firma F. W. GmbH einen unbefristeten Arbeitsvertrag ab 16. Oktober 2017. Er erhielt den Einsatzauftrag, am 16. Oktober 2017 um 8:00 Uhr die Tätigkeit im W. Fachmarkt für R. in Dresden aufzunehmen. Der Antragsteller erschien nicht zur Arbeit. Die Arbeitgeberin teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 16. Oktober 2017 mit, dass deswegen der Arbeitsvertrag nicht zustande gekommen sei, und kündigte diesen fristlos.
Mit Änderungsbescheid vom 25. November 2017 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller für den Zeitraum Januar bis Oktober 2018 monatlich 768 €. Mit Schreiben vom 6. November 2017 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zum möglichen Eintritt einer Sanktion an. Der Antragsteller erklärte mit Schreiben vom "27. Oktober 2017", der Arbeitgeber hätte ihn am 16. Oktober 2017 nur einmal angerufen und nicht öfters. Zu dem Vorwurf wolle er sich gerne mündlich äußern.
Mit Bescheid vom 5. Februar 2018 stellte der Antragsgegner für die Zeit vom 1. März 2018 bis 31. Mai 2018 den vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II fest. Das Arbeitslosengeld II mindere sich um 768 € monatlich. Mit Bescheid vom 6. Februar 2018 hob der Antragsgegner den Bescheid vom 25. November 2017 auf und bewilligte für Januar und Februar sowie Juni bis Oktober 2018 monatlich 808 € und für März bis Mai 2018 0 €.
Der Antragsteller erhob mit Schreiben vom 22. Februar 2018 Widerspruch gegen den Bescheid vom 5. Februar 2018, den der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 2018 zurückwies.
Am 9. März 2018 hat der Antragsteller Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem Sozialgericht Dresden gestellt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, den Arbeitsvertrag habe er unmittelbar nach dem Bewerbungsgespräch am Freitag, 13. Oktober 2017 abgeschlossen. Da er über kein Bargeld mehr verfügt habe, wollte er am Freitag in Dresden am Hauptbahnhof mit der EC-Karte Geld abheben. Die EC-Karte sei vom Automaten eingezogen worden. Weder am Freitag noch am Wochenende habe er das Problem mit der Sparkasse lösen können. Am Montag habe er zunächst den Arbeitgeber angerufen und die missliche Lage geschildert. Der Arbeitgeber habe ihn an das Jobcenter verwiesen. Bei dem Antragsgegner habe er daraufhin telefonisch Leistungen aus dem Vermittlungsbudget beantragt. Seine Hausbank habe ihm mitgeteilt, dass das Konto leer sei. Er habe kein Geld ausgezahlt bekommen.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 22. Februar 2018 gegen den Sanktionsbescheid des Antragsgegners vom 5. Februar 2018 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller habe auf die Anhörung nicht geantwortet. Die Angaben des Antragstellers widersprächen den Angaben des Arbeitgebers. Dieser habe mitgeteilt, dass der Antragsteller sich nicht entschuldigt habe. Der Antragsteller habe durch sein Verhalten die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung verhindert. Die angegebenen Gründe seien keine wichtigen Gründe. Der Antragsteller...