Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft. Angemessenheit der Unterkunftskosten. vorläufige Regelung im Eilverfahren
Orientierungssatz
Ergeben sich im einstweiligen Rechtschutzverfahren über die Höhe eines Anspruchs auf Grundsicherungsleistungen Zweifel bezüglich der Wirksamkeit eines schlüssigen Konzepts zur Feststellung der Angemessenheit von Unterkunftskosten, so kann vorläufig ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Unterkunft zugesprochen werden, der sich an den erhöhten Tabellenwerten in § 12 WoGG orientiert. Dabei ist ein Zuschlag in Höhe von 10 Prozent angemessen.
Tenor
I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig für den Zeitraum vom 8. Februar 2012 bis 30. September 2012 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich insgesamt 219,29 € zu zahlen.
II. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von höheren Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Die am … 1962 geborene Antragstellerin ist arbeitslos und beantragte erstmals am 13. Oktober 2004 Arbeitslosengeld II. Sie bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung der Deutschen Rentenversicherung Bund in Höhe von monatlich 572,18 €. Sie bewohnt seit 1998 eine ca. 50 m² große 2-Raum-Wohnung, für die sie derzeit eine Bruttokaltmiete in Höhe von 346,81 € zuzüglich Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 35 € monatlich zu zahlen hat. Mit Schreiben vom 25. März 2011 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, die Kosten der Unterkunft bis 30. September 2011 zu senken.
Die Antragstellerin beantragte am 30. August 2011 die Weiterbewilligung der Leistungen. Der Antragsgegner bewilligte mit Bescheid vom 2. September 2010 u. a. für die Monate Februar und März 2012 monatlich 114,93 €.
Die Antragstellerin erhob am 30. September 2011 Widerspruch. Mit Bescheid vom 5. Dezember 2011 bewilligte der Antragsgegner u. a. für die Monate Februar und März 2012 jeweils 148,48 € und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2011 zurück.
Am 6. Januar 2012 erhob die Antragstellerin beim Sozialgericht Dresden Klage, die unter dem Az. S 20 AS 156/12 geführt wird und über die noch nicht entschieden ist.
Am 8. Februar 2012 hat sie die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Der Antragsgegner habe die Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht auf Grundlage eines schlüssigen Konzeptes ermittelt. Überdies würde ein Umzug für die Antragstellerin eine besondere Härte bedeuten. Gesundheitliche Einschränkungen und das Erfordernis der Betreuung ihrer Eltern stünden einem Umzug entgegen.
Die Antragstellerin beantragt:
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, ab 8. Februar 2012 höhere Leistungen unter Berücksichtigung der Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von 381,81 € zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Ein Härtefall sei nicht anzuerkennen. Der Antragsgegner habe die Angemessenheitsrichtwerte auf Grundlage eines schlüssigen Konzeptes ermittelt, das mit Stadtratsbeschluss vom 24. November 2011 verabschiedet worden sei.
Mit Bescheid vom 8. Februar 2012 hat der Antragsgegner der Antragstellerin für den Zeitraum 1. April 2012 bis 30. September 2012 monatlich Leistungen in Höhe von 148,48 € gewährt. Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 20. Februar 2012 Widerspruch erhoben, über den noch nicht entschieden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akten S 28 AS 5541/11 ER und S 20 AS 156/12 und der vom Antragsgegner vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet.
Inhaltlich handelt es sich um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit dem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Voraussetzung für den Erfolg des Antrages ist, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vorliegen. Für eine vorläufige Entscheidung müssen gewichtige Gründe vorliegen (Anordnungsgrund). Der Anordnungsgrund liegt vor, wenn dem Antragsteller wesentliche, insbesondere irreversible Nachteile drohen, die für ihn ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar machen und die Regelung zur Verhinderung dieser unzumutbaren Nachteile durch eine Anordnung nötig erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1977, Az: 2 BvR 42/76). Ferner muss ein Anordnungsanspruch vorliegen. Dabei muss e...