Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung: Vergütung von Krankenhausbehandlungsleistungen. Ermittlung des geeigneten Diagnoseschlüssels bei mehreren möglichen Ursachen einer Erkrankung in Form einer Hämaturie
Orientierungssatz
1. Lässt sich die Ursache einer Hämaturie als Anlass einer stationären Krankenhausbehandlung nicht ohne weiteres aufklären, ist bei der Ermittlung der Vergütungsgrundlage für die erbrachte Behandlungsleistung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung von demjenigen Diagnoseschlüssel auszugehen, dessen Voraussetzungen auf jeden Fall erfüllt sind (hier: Verschlüsselung als “Blutung bei Dauertherapie mit Antikoagulanzien„ nach ICD-10-GM (2005) D68.3). Dabei kommt jedenfalls dann der Anwendung des Diagnoseschlüssels für eine Harnwegsinfektion nach ICD-10-GM (2005) N39.0 nicht der Vorrang zu, wenn dieser eine mögliche Ursache der Hämaturie darstellt, nicht aber die gesicherte Ursache.
2. Einzelfall zur Ermittlung des sachgerechten Diagnoseschlüssels bei einer stationären Behandlung in einem Krankenhaus im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung.
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 879,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.05.2007 zu zahlen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
III. Der Streitwert wird auf 879,23 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Krankenhausbehandlungsleistungen.
Am 09.12.2005 wurde der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Patient (Vers.-Nr. …) auf ärztliche Einweisung wegen einer Makrohämaturie bei Therapie mit Falithrom im Zentrum für Innere Medizin der Klägerin stationär zur Behandlung aufgenommen. Der Versicherte hatte nach einer früheren Herzoperation laufend Antikoagulanzien einzunehmen. Außerdem wurde laborchemisch ein Harnwegsinfekt diagnostiziert. Im Zuge der Behandlung wurde das Falithrom abgesetzt und der Infekt medikamentös behandelt. Bei Entlassung am 11.12.2005 ließ sich kein Hinweis auf eine Makrohämaturie mehr finden; die Gerinnungswerte befanden sich innerhalb des therapeutischen Bereichs, wegen der weiteren Einstellung wurde die Betreuerin an den Hausarzt verwiesen; bei noch immer massenhaft Leukozyten und reichlich Bakterien im Blut empfahlen die Ärzte eine Fortsetzung der medikamentösen Behandlung des Harnweginfekts für weitere 7 Tage.
Die Klägerin rechnete die erbrachten Leistungen mit Rechnung Nr. 6060000012 vom 16.01.2006 in Höhe von insgesamt 2.456,65 EUR auf Grundlage der Fallpauschale G-DRG (2005) Q60A ab. Dem lag die Kodierung der ICD-10-GM (2005) 68.3 - Hämorrhagische Diathese durch Antikoagulanzien und Antikörper - als Hauptdiagnose zu Grunde.
Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung mit einer Überprüfung der Abrechnung. Dieser kam in einer Stellungnahme vom 24.02.2006 zunächst zu dem Ergebnis, als Hauptdiagnose sei richtigerweise ICD-10-GM (2005) N39.0 - Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet - zu verschlüsseln; die Beklagte bat die Klägerin deshalb um eine Rechnungskorrektur auf Basis der Fallpauschale G-DRG (2005) L63B. Auf den Widerspruch der Klägerin hin votierte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in einer weiteren Stellungnahme vom 08.05.2006 für eine Abrechnung auf Basis der Fallpauschale G-DRG (2005) L65Z, ausgehend von der Kodierung der ICD-10-GM (2005) R31 - Nicht näher bezeichnete Hämaturie - als Hauptdiagnose. Die Beklagte hat den Rechnungsbetrag deshalb um 879,23 EUR gekürzt.
Mit ihrer am 15.05.2007 beim Sozialgericht Dresden eingegangenen Klage macht die Klägerin die Auszahlung des Differenzbetrags von 879,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit geltend. Hauptdiagnose sei die ICD-10-GM (2005) 68.3, weil die Blutung bei Antikoagulation zur Aufnahme geführt habe und nicht der banale Harnwegsinfekt, der auch ambulant hätte behandelt werden können. Es sei auch nicht die Blutungsquelle behandelt worden, sondern lediglich die hämorrhagische Diathese durch Dosisänderung der Falithromtherapie.
Die Beklagte stützt ihren Antrag auf Abweisung der Klage auf die weitere Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 11.02.2008, es könne nicht davon ausgegangen werden, die Hämaturie liege ursächlich allein in der Antikoagulation begründet; der gleichzeitig vorliegende Harnwegsinfekt stelle gleichermaßen eine mögliche Ursache für die Hämaturie dar.
Entscheidungsgründe
Das Gericht kann über den Rechtsstreit gemäß § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten auf Anfrage keine Gründe vorgetragen haben, die einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid entgegen stehen würden.
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Beklagte hat der Klägerin weitere 879,23 EUR zu zahlen.
Zu Recht erhebt die Klägerin A...