Entscheidungsstichwort (Thema)
Alterssicherung der Landwirte. Befreiung von der Versicherungspflicht einer Nebenerwerbslandwirtin bei Bezug von Überbrückungsgeld. außerlandwirtschaftliche Existenzgründung
Leitsatz (amtlich)
Beim Überbrückungsgeld nach § 57 SGB 3 handelt es sich um Erwerbsersatzeinkommen iS von § 3 Abs 1 Nr 1, Abs 4 S 1 und S 2 Nr 2 ALG.
Orientierungssatz
Zur Frage der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Alterskasse bei Bezug von Überbrückungsgeld im Rahmen einer außerlandwirtschaftlichen Existenzgründung bei einer durch Pferdezucht und -haltung bedingten Nebenerwerbslandwirtin.
Tenor
I. Die Bescheide vom 24.11.2003 und 19.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.10.2004 werden aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass die Klägerin vom 01.08.2003 bis zum 31.12.2003 von der Versicherungspflicht zur Landwirtschaftlichen Alterskasse befreit war.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Befreiung von der Versicherungspflicht zur Landwirtschaftlichen Alterskasse und über die Rechtmäßigkeit einer Beitragsforderung in Höhe von 664,00 EUR. Die 1958 geborene Klägerin betreibt seit Oktober 2002 auf einer bewirtschafteten Fläche von 5,4 ha eine Pferdezucht und -haltung als landwirtschaftliches Nebenunternehmen.
Bis zum 02.03.2003 bezog sie von der Bundesanstalt für Arbeit Unterhaltsgeld und vom 03.03.2003 bis zum 08.08.2003 Arbeitslosengeld, jeweils in wöchentlicher Höhe von 133,49 EUR. Seit dem 01.08.2003 ist sie hauptberuflich als selbständige Ergotherapeutin in eigener Praxis tätig.
Mit Bescheid vom 12.08.2003 bewilligte die Bundesanstalt für Arbeit der Klägerin zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit für den Zeitraum vom 01.08.2003 bis zum 31.01.2004 ein Überbrückungsgeld nach § 57 des Sozialgesetzbuchs (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - in Höhe von monatlich 963,99 EUR als Zuschuss.
Am 10.09.2003 beantragte die Klägerin unter Vorlage der Bescheide und Leistungsnachweise des Arbeitsamts Bautzen die Befreiung von der Versicherungspflicht wegen des Bezugs außerlandwirtschaftlicher Einkünfte von über 400,00 EUR im Monat (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG)) und nach § 3 Abs. 3 ALG.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 24.11.2003 fest, dass die Klägerin für die Zeit vom 01.01.2003 bis zum 08.08.2003 als Landwirt von der Versicherungspflicht zur Sächsischen Landwirtschaftlichen Alterskasse befreit sei, mit der Folge, dass für die Zeit vom 01.01.2003 bis zum 31.07.2003 keine Beiträge zu entrichten seien. Für die Zeit ab dem 09.08.2003 bestehe als Landwirt Versicherungspflicht zur Sächsischen Landwirtschaftlichen Alterskasse, mit der Folge, dass für die Zeit ab dem 01.08.2003 Beiträge zu entrichten seien. Die Versicherungspflicht ab dem 09.08.2003 begründete die Beklagte damit, dass das ab dem 01.08.2003 bewilligte Überbrückungsgeld keinen Befreiungstatbestand nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG begründe. Gegen den Bescheid erhob die Klägerin am 29.12.2003 mit Schreiben vom 22.12.2003 Widerspruch, den sie auf die Feststellung der Versicherungspflicht ab dem 01.08.2003 beschränkte. Sie sei gemäß einem Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 12.11.2003 bereits als selbständige Ergotherapeutin rentenversicherungspflichtig. Eine Zahlung von Pflichtbeiträgen sowohl zur Rentenversicherung der Angestellten als auch zur Landwirtschaftlichen Alterskasse komme nicht in Frage.
Mit weiterem Schreiben vom 02.12.2003 hatte die Beklagte den bis dahin aufgelaufenen Beitragsrückstand mit 830,00 EUR ausgewiesen und die Klägerin nach Verrechnung mit einem Beitragsguthaben zur Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (102,20 EUR) zur Begleichung des Restbetrages von 727,80 EUR aufgefordert. Ein hiergegen unter Hinweis auf den anhängigen Widerspruch gerichtetes Schreiben der Klägerin legte die Beklagte als Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Beitragsforderung aus, den sie mit Bescheid vom 19.02.2004 ablehnte. In der Begründung führte die Beklagte aus, bei dem Überbrückungsgeld handele es sich weder um Erwerbsersatzeinkommen noch um eine vergleichbare Leistung eines Sozialleistungsträgers, da es wegen seines überwiegend fürsorgerechtlichen Charakters lediglich eine Ausgleichs- bzw. Entschädigungsfunktion erfülle. Auch gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin über ihre anwaltlichen Prozessbevollmächtigten Widerspruch. Die Bewertung des Überbrückungsgeldes stehe im Widerspruch zur Wertung bei anderen Versicherungsträgern.
Nach Vorlage einer Auskunft der Steuerberaterin der Klägerin vom 05.05.2004, wonach das Einkommen aus der freiberuflichen Tätigkeit 2004 und in den folgenden Jahren voraussichtlich mehr als 4.800,00 EUR betragen werde, befreite die Beklagte mit Bescheid vom 24.06.2004 die Klägerin für die Zeit vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2004 von der Versicherungspflicht zur Landwirtschaftlichen Alterskasse.
Hinsichtlich des Zeitraums...