Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. selbstständige Arbeit. Zulässigkeit des horizontalen Verlustausgleichs innerhalb derselben Einkommensart
Orientierungssatz
Erzielt ein Leistungsberechtigter mit verschiedenen Tätigkeiten (zB verschiedenen Gewerben) oder mit verschiedenen Vermögensgegenständen (zB verschiedenen verpachteten oder vermieteten Grundstücken) Einkommen aus derselben Einkommensart, ist das Einkommen aus dieser Einkommensart auf Grundlage der Berücksichtigung der gesamten Einnahmen und Ausgaben für diese Einkommensart zu ermitteln. Gewinne und Verluste innerhalb derselben Einkommensart dürfen dabei miteinander verrechnet werden (sog horizontaler Verlustausgleich). § 5 AlgIIV 2008 steht dem nicht entgegen, denn die Vorschrift untersagt nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur einen Verlustausgleich zwischen verschiedenen Einkommensarten (sog vertikaler Verlustausgleich).
Tenor
I. Der Änderungsbescheid vom 01.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2010 wird abgeändert und der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger über den bereits anerkannten Betrag von 229,68 € hinaus für Oktober bis Dezember 2009 weitere Leistungen der Grundsicherung in Höhe von monatlich 118,58 € zu gewähren.
II. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
III. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der dem Kläger endgültig zustehenden Leistungen im Zeitraum Oktober bis Dezember 2009.
Der am … 1975 geborene Kläger bezog von Oktober 2005 bis Dezember 2010 Leistungen nach dem SGB II.
Der Kläger wohnt in einer 2-Zimmer-Wohnung in der R.-Straße in H.. Die Grundmiete für die Wohnung beträgt 204 €. Die Betriebskosten inklusive Heizkosten umfassen 120 €. Die konkrete Höhe der Heizkosten schlüsselt der Vermieter nicht auf.
Der Kläger ist als Gewerbetreibender selbstständig tätig und wurde mit Bescheid vom 15.06.2000 von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Der Kläger ist privat renten-versichert sowie privat kranken- und pflegeversichert.
Am 07.05.1998 meldete der Kläger ein Gewerbe in P.-Dorf, einem Ortsteil der Stadt B., für den Vertrieb von Finanzdienstleistungen an. Dieses erweiterte er mit Gewerbeummeldung vom 05.02.2004 auf bestimmte Maklertätigkeiten. Für das Gewerbe in P.-Dorf mietete der Kläger ein 26 m2 großes Büro in P.-Dorf an. Das Gewerbe in P.-Dorf betrieb der Kläger allein.
Am 08.01.2004 meldete der Kläger in der Stadt K. ein Gewerbe für einen Textilshop unter der Adresse … an. Den Textilshop betrieb der Kläger mit mehreren, überwiegend in Teilzeit beschäftigten Angestellten.
Die Buchhaltung für das Finanzdienstleistungsgewerbe in P.-Dorf und den Textilshop in K. erfolgte getrennt. Für beide Gewerbe existierten separate Konten und Abrechnungen.
Bereits bei der Erstantragstellung am 20.10.2005 gab der Kläger an, Gewinne nur mit dem Finanzdienstleistungsgewerbe in P. zu erzielen. Der Textilshop in K. erwirtschaftete lediglich Verluste. Die Verluste glich der Kläger mit den aus seinem Finanz-dienstleistungsgewerbe erzielten Gewinnen aus. Die Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2004 bis 2008 wiesen jeweils negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb von mindestens -5.000 € auf. Der Beklagte rechnete dem Kläger bei der Leistungsbewilligung die erzielten Gewinne aus dem Finanzdienstleistungsgewerbe stets als Einkommen an und berücksichtigte die Verluste aus dem Textilshop nicht.
Zum 20.02.2008 verlegte der Kläger den Textilshop von K. nach P. Der Kläger, der in diesem Zeitraum an einer vom Beklagten veranlassten Coaching-Maßnahme für die Selbstständigkeit teilnahm, bezweckte mit der Verlegung eine Steigerung der Erträge aus dem Textilshop aufgrund der verbesserten örtlichen Lage.
Hinsichtlich des vorliegend streitgegenständlichen Zeitraums (01.10.2009-31.12.2009) stellte der Kläger am 06.09.2009 einen Weiterbewilligungsantrag. Der Kläger entrichtete in diesem Zeitraum monatliche Beiträge für seine private Krankenversicherung in Höhe von 200,88 €, für seine private Pflegeversicherung in Höhe von 18,08 € und für seine private Rentenversicherung in Höhe von 56,26 € bzw. ab Dezember 2009 in Höhe von 57,94 €.
Mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 21.09.2009 gewährte der Beklagte dem Kläger monatliche Leistungen in Höhe von 636,51 €. Als Grund für die vorläufige Leistungsgewährung nannte der Beklagte die selbstständige Tätigkeit des Klägers. Der Leistungsgewährung legte er einen Regelbedarf von 359 € und einen Bedarf für Unterkunft und Heizung von 317,21 € (Grundmiete von 204 €, kalte Betriebskosten von 60 € und Heizkosten von 60 € abzüglich einer Warmwasserpauschale von 6,79 €) zugrunde. Der Beklagte rechnete auf diesen Bedarf ein monatliches Einkommen von 378,63 €, bereinigt 222,90 €, an. Weiterhin gewährte der Beklagte monatliche Zuschüsse zur privaten Krankenversicherung in Höhe von 124,32 €, zur privaten Pflegeversicherung in Höhe von 18,08 € und zur privaten Rentenversicherung in Höhe von 40,80 €.
Am 10.02.2010 ...