Entscheidungsstichwort (Thema)
Hörgeräteversorgung in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung. zuständiger Rehabilitationsträger. Weiterleitung des Rehabilitationsantrags nach einer teilweisen Bewilligung durch die Krankenkasse an den Rentenversicherungsträger
Leitsatz (amtlich)
1. Sofern in der Gemeinsamen Empfehlung der Deutschen Rentenversicherung und des GKV Spitzenverbandes im Verfahren bei Beteiligung verschiedene Leistungsträger im Rahmen der Hörhilfenversorgung (in der seit 01.06.2014 geltenden Fassung) ein gesplittetes Verfahren geregelt ist, widerspricht dies dem eindeutigen Wortlaut in § 14 Abs. 1 SGB IX (in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung).
2. Eine Beschränkung des Erfordernisses einer Hörgeräteversorgung aus beruflichen Gründen auf akustische Kontroll- oder Überwachungsarbeiten, bzw. auf Tätigkeiten, welche ein feinsinniges Unterscheiden zwischen bestimmten Tönen und Klägern voraussetzen, ist den Regelungen des SGB VI oder des SGB IX nicht zu entnehmen.
Orientierungssatz
Ein beim Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gestellter Antrag auf Versorgung mit Hörgeräten ist immer auch auf Leistungen zur Teilhabe iS von §§ 1, 4 und 5 SGB 9 gerichtet (vgl BSG vom 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R = SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 18 sowie vom 30.10.2014 - B 5 R 8/14 R = BSGE 117, 192 = SozR 4-1500 § 163 Nr 7).
Tenor
I. Die Beigeladene wird unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 19.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2017 verurteilt, der Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Kostenerstattung von 1.498,00 € für die erworbene beidseitige Hörgeräteversorgung Excellence pro zu übernehmen.
II. Die Beigeladene hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte oder die Beigeladene verpflichtet ist, die den Festbetrag übersteigenden Kosten für zwei Hörgeräte zu erstatten.
Die 1957 geborene Klägerin arbeitet seit Oktober 2008 als Heimleiterin / Pflegedienstleiterin des … Seniorenzentrums in B..... Wegen einer beidseitigen Innenohrschwerhörigkeit beantragte die Klägerin im Mai 2010 die Kostenübernahme für digitale Hörgeräte zur Berufsausübung. Mit Bescheid vom 31.08.2010 hat die Beklagte die Kosten für digitale Hörgeräte im Rahmen von § 16 SGB VI i.V.m. § 33 Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 8 Nr. 4 SGB IX bis zur Höhe von 2.000 Euro pro Gerät (inklusive Mehrwertsteuer) übernommen. Mit der Kostenzusage konnte der Eigenanteil der erworbenen beidseitigen Hörgeräteversorgung (von insgesamt 2.176,00 €) voll beglichen werden.
Mit Verordnung vom 23.06.2016 verordnete die Fachärztin für HNO … erneut eine beidseitige Hörgeräteversorgung wegen der Diagnose "Schallempfindungsstörung beidseitig" und gab zur Begründung an, die bisher getragenen Geräte seien veraltet. Am 22.07.2016 hat die Klägerin die ohrenärztliche Verordnung bei dem Hörgeräteakustiker „B.“ vorgelegt und in der Folgezeit drei Versorgungen getestet. Vom 22.07.2016 bis 15.08.2016 wurden die Festbetragsgeräte GO Pro VC getestet, vom 15.08.2016 bis 24.10.2016 die Hörgeräte Excellence pro 3.0, und vom 24.10.2016 bis 29.11.2016 die Hörgeräte Excellence pro. Die Klägerin erreichte mit dem Festbetragsgerät GO Pro VC im Sprachverstehen im Freifeld : Nutzschall 65 dB: 95 % und im Freifeld : Nutzschall 65 dB, Störschall 60 dB: 80 %. Mit dem Hörgerät Excellence pro erreichte die Klägerin identische Werte, also im Sprachverstehen im Freifeld : Nutzschall 65 dB: 95 % und im Freifeld : Nutzschall 65 dB, Störschall 60 dB: 80 %.
Am 28.11.2016 unterzeichnete die Klägerin eine Mehrkostenerklärung über die "Versorgung mit einem die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung übersteigenden Hörsystem“. Nach der Mehrkostenerklärung weist die ausgewählte Hörgeräteversorgung folgende Merkmale des Bedienkomforts auf: Funk-Comfort-Steuerung (Lautstärke und Programme); Merkmale der Ästhetik: winziges Design-Gehäuse mit externem Lautsprecher im Ohr; sonstiges: Funkschnittstelle für optionale Fernbedingung und Bluetooth Audiosignale. Die Klägerin erklärte weiter, sie habe sich "beruflich bedingt für ein die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung übersteigendes Hörsystem entschieden“.
Bei der beigeladenen Krankenkasse ging am 29.11.2016 die Eingliederungsanzeige ein. Die Beigeladene hat als Behinderungsausgleich den Betrag von 1.467,00 € übernommen und den Antrag im Übrigen mit Schreiben vom 30.11.2016 an die Deutschen Rentenversicherung Bund weitergeleitet. Dabei hat sie sich auf § 14 SGB IX und die seit 01.06.2014 gültige Empfehlung zwischen dem GKV Spitzenverband und der Deutschen Rentenversicherung Bund zur Hörhilfeversorgung bezogen. Aus Sicht der Beigeladenen gab es plausible Anhaltspunkte dafür, dass bei der Klägerin ein beruflich bedingter Mehrbedarf bei der Hörgeräteversorgung vorliege. DRV Bund hat den Antrag mit Schreiben vom 07.12.2016 an die Beklagte nach § 14 Abs. 1 SGB IX weitergeleitet.
Mit Bescheid vom 19.12.2016 hat die B...