Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Verwertbarkeit und Vergütung eines vom Sozialgericht eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens

 

Orientierungssatz

1. Nach § 128 Abs. 1 SGG hat das Gericht die erhobenen Beweise dahingehend zu würdigen, ob die maßgebenden Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen (BSG Urteil vom 4. 6. 2002, B 2 U 16/01 R).

2. Enthält ein nach § 109 SGG erstelltes psychiatrisches Gutachten keine Angaben darüber, welche Testverfahren konkret angewendet wurden und mit welchen Ergebnissen und aufgrund welcher Symptome eine beschriebene Krankheit ermittelt wurde, so ist es dem Gericht nicht möglich, das Begutachtungsergebnis auf dessen Schlüssigkeit zu überprüfen und einer Beweiswürdigung zu unterziehen.

3. Es ist nach § 8 Abs. 4 JVEG unverwertbar und gemäß § 8a Abs. 2 Nr. 2 JVEG nicht zu vergüten.

 

Tenor

Die für das gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten der Sachverständigen N zu erstattenden Kosten werden auf 0,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nach § 43 SGB VI. Diesbezüglich steht zwischen den Beteiligten insbesondere im Streit, ob bzw. in welchem Umfang das Leistungsvermögen des Klägers eingeschränkt ist. Zur Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes hat das Gericht zunächst den Psychiater I, den Orthopäden P sowie den Internisten G gemäß § 106 SGG als Sachverständige gehört. Sodann beantragte der Kläger, den Orthopäden X sowie die Psychiaterin N als Sachverständige gemäß § 109 SGG zu hören. Um Kosteneinschätzung gebeten, teilte N mit, dass sie von einem Arbeitsumfang von ca. 40 bis 50 Sachverständigenstunden (zzgl. Post, Kopie, Schreibgebühr) ausgehe. X bezifferte einen Betrag von 2.000,00 - 2.250,00 EUR (zzgl. Mwst.). Aufgrund dieser Angaben wurden von dem Kläger Kostenvorschüsse in Höhe von 3.250,00 EUR (orthopädisches Gutachten) und 5.000,00 EUR (psychiatrisches Gutachten) angefordert. Nach deren Eingang wurden der Orthopäde X - als Hauptgutachter - sowie die Psychiaterin N - als Zusatzgutachterin - beauftragt, medizinische Sachverständigengutachten über den Kläger zu erstellen. Hinsichtlich der konkreten Beweisfragen wird auf den Beschluss vom 06.01.2017 (Bl. 322 ff der Gerichtsakte) verwiesen.

Unter dem 15.08.2017 teilte der Hauptgutachter X mit, dass die Zusatzgutachterin ein 23-seitiges Anschreiben vom 06.07.2017 übersandt hätte, in welchem wiederholt auf ein "Gutachten in Langform" verwiesen werde, welches jedoch nicht vorläge. Er bat darum, diese "Gutachten in Langform" von der Zusatzgutachterin anzufordern.

Auf die entsprechende Anforderung des Gerichts verwies die Zusatzgutachterin hinsichtlich ihres Untersuchungsergebnisses auf das als "Kurzgutachten" bezeichnete Schreiben vom 06.07.2017 und führt weiter aus: "Der Hinweis auf das Fachgutachten in Langform steht hiermit in Zusammenhang und stellt eine dezidierte Abbildung der einzelnen gutachterlichen Untersuchungsergebnisse, u.a. Ergebnisse aus den diagnostischen und differentialdiagnostischen Verfahren dar, aus den explorativen Untersuchungsergebnissen sowie ihrer Zusammenhänge u.a ... Weiterhin sind aus dem Fachgutachten Langform dezidiert die Entwicklungsverläufe hinsichtlich der Krankheitszustände, ihrer Kausalitäten sowie ihrer fortlaufenden Kausalität zur beruflichen Leistungsfähigkeit im Detail abgebildet bzw. dezidiert sachverständigerseits erörtert worden."

Für den Fall, dass das Gericht die Vorlage des "Fachgutachtens Langform" wünsche, bat die Zusatzgutachterin um weitere Kostenzusage, da der Kostenvorschuss von 5.000,00 bereits ausgeschöpft sei und die Ausfertigung des "Fachgutachtens Langform" weitere ca. 20 -25 Stunden in Anspruch nehmen werde.

Mit Kostenrechnung vom 04.10.2017 macht die Zusatzgutachterin N Kosten in Höhe von 5.376,53 EUR geltend.

Mit Schreiben vom 09.11.2017 wies das Gericht die Sachverständige N darauf hin, dass das "Kurzgutachten" nicht verwertbar sei und setzte eine Nachfrist von drei Wochen um die benannten Mängel zu beheben.

Die Nachbesserungsfrist verstrich ergebnislos.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Die Entscheidung beruht auf § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JVEG. Hiernach erhält der Berechtigte, wenn er eine mangelhafte Leistung erbracht hat, eine Vergütung nur insoweit, als seine Leistung bestimmungsgemäß verwertbar ist. Vorliegend ist der Vergütungsanspruch nach dieser Regelung auf Null zu reduzieren, da die Leistung der Sachverständigen N völlig unverwertbar ist. Ein vom Sachverständigen erstelltes Gutachten gilt im Sinne des § 8a Abs. 2 S. 2 JVEG als verwertbar, wenn das Gericht die Leistung des Sachverständigen berücksichtigt (LSG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 22.02.2016 - L 5 KR 269/15 B - ; OLG Hamm Beschluss vom 08.07.2016 - II-6 WF 336/15 -).

Eine Berücksichtigung der von der Sachverständigen N getroffenen Feststellungen ist mangels Nachprüfbarkeit nicht möglich.

Gemäß § 128 Abs. 1 SGG entscheidet das Gericht nach sei...

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