Nachgehend

BSG (Beschluss vom 09.06.2017; Aktenzeichen B 9 V 11/17 B)

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 14.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2011 verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Ereignisses vom 25.05.2010 einen Ausgleich nach § 85 SVG auf der Grundlage eines GdS von 40 zu gewähren.

2. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Der am 00.00.1990 geborene Kläger verlangt von der Beklagten einen Ausgleich nach § 85 SVG (Soldatenversorgungsgesetz) für die gesundheitlichen Folgen einer WDB (Wehrdienstbeschädigung), welche er sich am 25.05.2010 als Soldat zuzog.

Er führte an diesem Tag zusammen mit anderen Soldaten die Grundreinigung eines Dienstgebäudes durch. Als gegen 18:00 Uhr diese weitgehend abgeschlossen war, bespritzen sich die Kameraden gegenseitig. Plötzlich attackierte einer dieser Kamerad ihn mit einem Taschenmesser; er konnte eine Verletzung gerade noch abwehren und zog sich dadurch erst nur eine leichte Schürfwunde zu, musste sich aber psychiatrisch behandeln lassen. Der Angreifer ist deswegen zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt worden (vgl. Urteil des Amtsgerichts Schweinfurt - Az. 5 Ls 11 Js 5176/10 - vom 31.05.2011).

Im Juli/August 2010 stellte der Kläger beim LVR (Landschaftsverband) Rheinland einen Antrag auf Beschädigten-Versorgung. Dieser wurde zuständigkeitshalber an das Versorgungsamt in Würzburg abgegeben, und später an das Versorgungsamt in München. Dort wurde dann als Schädigungsfolge nach dem OEG (Opferentschädigungsgesetz) eine "Rückläufige posttraumatische Belastungsstörung und depressive Anpassungsstörung" mit einem GdS (Grad der Schädigungsfolgen) von 30 - für die Zeit vom 25.05.2010 bis 30.04.2011 - anerkannt; ab 01.05.2011 wurde der GdS mit nur noch 10 eingeschätzt (siehe Bescheid vom 05.02.2013). Insoweit ist noch ein Widerspruchsverfahren anhängig.

Im November 2010 machte der Kläger auch gegenüber der Beklagten entsprechende Ansprüche geltend (Schriftsatz vom 05.11.2010). Nach Auswertung der beigezogenen medizinischen Unterlagen gelangte man zu der Auffassung, die "Psychische Beeinträchtigung" sei nicht Folge einer WDB, ein Anspruch auf Ausgleich bestehe daher nicht (Bescheid vom 14.06.2011). Ein innerer Zusammenhang des tätlichen Angriffs mit einer Dienstverrichtung wurde verneint, es habe sich lediglich um eine private - persönliche - Auseinandersetzung gehandelt. Der vom Kläger eingelegte Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 15.07.2011).

Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 02.08.2011 erhobene Klage. Der Kläger ist der Meinung, ihm stehe wegen der Folgen einer WDB ein Anspruch auf Ausgleich zu, da Grundlage des Geschehens die wehrdiensteigentümlichen Verhältnisse gewesen seien. Wegen der Einzelheiten seines Vortrags wird auf den Inhalt der von ihm - mit anwaltlicher Hilfe - im Laufe des Verfahrens eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 14.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die von ihm erlittenen gesundheitlichen (psychischen) Beeinträchtigungen in Folge der Vorkommnisse vom 25.05.2010 eine Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 SVG darstellen und zudem Anspruch auf Ausgleich nach § 85 SVG gegen die Beklagte besteht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

Sie bleibt bei der getroffenen Entscheidung und hält die rechtliche Bewertung des streitigen Sachverhalts nach wie vor für zutreffend. Das Ereignis vom 25.05.2010 könne nicht unter den Tatbestand der "Wehrdienstverrichtung" bzw. der "wehrdiensteigentümlichen Verhältnisse" subsumiert werden. Auch hier wird ergänzend auf den restlichen Inhalt der im Laufe des Verfahrens eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Das Gericht hat die WDB-Akte - einschließlich der Beschwerdeakte - beigezogen, ebenso die OEK-Akte. Es hat sodann weiter Beweis erhoben durch Einholung eines sozialmedizinischen Gutachtens von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie S (Beweisanordnung vom 20.07.2012).

Der gerichtliche Sachverständige kommt nach Auswertung der Akten und Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis, dass das beim Kläger vorliegende Krankheitsbild zwar nicht allein auf das schädigende Ereignis vom 25.05.2010 zurückzuführen sei, es sei insoweit aber von einer richtungsgebenden Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens auszugehen. Den GdS für die diesbezüglich diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung (F43.1) und die dissoziative Bewegungsstörung (F44.4) sowie die mittelgradige depressive Episode (F32.1) schätzt er auf 50 ein, wobei die schädigungsbedingte Verschlimmerung mit 40 bewertet wird. Wegen der näheren Einzelheiten wird ergänzend auf sein Gutachten vom 28.08.2012 nebst ergänzenden Stellungnahmen vom 03.12.2013 und 19.08.2014 Bezug genommen. Diese Unterlagen liegen auch den Beteiligten vollständig vor.

Wegen der weiter...

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