Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Zuwendung Dritter. Nichtberücksichtigung wegen grober Unbilligkeit
Orientierungssatz
1. Nutzt der Leistungsberechtigte nach seinem glaubhaften Vortrag die von der Großmutter zugewandten Geldleistungen in Höhe von monatlich 50 Euro um Bewerbungsaktivitäten zu finanzieren, so ist die Zuwendung gemäß § 11a Abs 5 Nr 1 SGB 2 aufgrund grober Unbilligkeit von der Einkommensberücksichtigung auszunehmen.
2. Eine monatliche Zuwendung in Höhe von 50 Euro beeinflusst die Lage eines Leistungsberechtigten auch nicht so günstig, dass daneben Leistungen nach dem SGB 2 nicht gerechtfertigt wären (§ 11a Abs 5 Nr 2 SGB 2).
Tenor
Der Bescheid vom 28.07.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2017 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die Bescheide vom 12.12.2013, 14.02.2014, 06.03.2014, 26.09.2014, 22.10.2014, 22.11.2014, 01.04.2015 und 27.03.2017 zu ändern und dem Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis 31.08.2015 Leistungen nach dem SGB II ohne die Anrechnung eines monatlichen Einkommens von 50 Euro zu gewähren.
Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anrechnung eines monatlichen Taschengeldes in Höhe von 50 Euro auf die Gewährung von aufstockenden Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom 01.01.2014 bis 31.08.2015 im Streit.
Der 1992 geborene Kläger bezieht vom Beklagten seit 2013 als Alleinstehender aufstockend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Daneben betreibt er seit dem 01.02.2015 ein Gewerbe mit Dienstleistungen im IT- Bereich (Bl. 118 VA). Ferner wird der Kläger seit November 2013 durch monatliche Zuwendungen in Höhe von 110 Euro durch seine Mutter sowie ein Taschengeld in Höhe von 50 Euro durch seine Großmutter unterstützt (Bl. 62-63 VA). Unter Anrechnung dieser Zahlungen wurden dem Kläger vom 01.01.2014 bis 31.08.2015 vom Beklagten Leistungen in folgender monatlicher Höhe bewilligt:
- 680,79 Euro vom 01.01.2014 bis 28.02.2014 (Bescheid 11.12.2013)
- 689,99 Euro vom 01.03.2014 bis 30.06.2014 und 01.08.2014 bis 31.08.2014 sowie 313,19 Euro vom 01.07.2014 bis 31.07.2014 (Bescheid 14.02.2014, Änderungsbescheide 06.03.2014 und 22.10.2014)
- 465,99 Euro vom 01.09.2014 bis 28.02.2015 (vorläufiger Bescheid 26.09.2014, Änderungsbescheid 22.10.2014)
- 658,18 Euro vom 01.03.2015 bis 31.08.2015 (vorläufiger Bescheid 01.04.2015, festgesetzt mit Bescheid vom 27.03.2017 in selber Höhe).
Mit Schreiben vom 14.07.2015 beantragte der Kläger beim Beklagten die Überprüfung der o.g. Bewilligungsbescheide nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) mit der Begründung, dass das Taschengeld seiner Großmutter in Höhe von 50 Euro monatlich anrechnungsfrei sein müsse. Der Antrag wurde mit Überprüfungsbescheid vom 28.07.2015 abgelehnt. Der dagegen am 05.08.2015 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2015 als unbegründet zurückgewiesen. Das dem Kläger zugeflossene Taschengeld seiner Großmutter sei auf die Leistungen anzurechnen, eine grobe Unbilligkeit im Sinne des § 11 a Abs. 5 Nr. 1 SGB II werde vom Beklagten dabei nicht gesehen.
Am 17.09.2015 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben. Da die erhaltenen Zuwendungen seiner Großmutter in Höhe von 50 Euro monatlich dazu dienen, seine Chancen für die Ausbildungsplatzsuche zu verbessern, sei dieser Betrag nach Meinung des Klägers nicht als Einkommen nach § 11 a Abs. 5 SGB II zu berücksichtigen. Schließlich sei die Berücksichtigung in Anbetracht dieses verfolgten Ziels besonders unbillig.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 28.07.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2017 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Bescheide vom 12.12.2013,14.02.2014, 06.03.2014, 26.09.2014, 22.10.2014, 22.11.2014, 01.04.2015 und 27.03.2017 zu ändern und ihm für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis 31.08.2015 Leistungen nach dem SGB II ohne die Anrechnung eines monatlichen Einkommens von 50 Euro zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint, dass die Anrechnung eines Einkommens in Höhe von 50 Euro aus Zuwendungen von Verwandten an den volljährigen Kläger nicht unbillig sei, weshalb zu Recht nicht davon abgesehen worden sei.
Die den Kläger betreffende Akte des Beklagten wurde beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Zulässigkeit der Klage steht hier nicht entgegen, dass Leistungen für den Zeitraum vom 01.09.2014 bis 28.02.2015 mit Bescheiden vom 26.09. und 22.10.2014 nach Aktenlage lediglich vorläufig bewilligt und bisher nicht festgesetzt wurden, ein Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage ist dennoch gegeben. Das Rechtsschutzbedürfnis besteht deshalb fort, weil der - mögliche - Antrag auf endgültige Bewilligung nicht da...