Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung: Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Genehmigung einer Zweigarztpraxis. Berücksichtigung des Umfangs der geplanten ärztlichen Tätigkeit und des Versorgungsgrades am geplanten Sitz der Zweigarztpraxis bei der Zulassungsentscheidung
Orientierungssatz
1. Die Genehmigung einer Zweigarztpraxis als Nebenbetriebsstätte eines zur vertragsärztlichen Behandlung zugelassenen Arztes kann verweigert werden, wenn das in der Zweigarztpraxis geplante Leistungsangebot das am Ort der geplanten Praxis bereits bestehende Versorgungsangebot nicht qualitativ verbessert. Eine solche qualitative Verbesserung ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn in der Zweiarztpraxis lediglich allgemeine fachärztliche Beratungs- und Diagnostikleistungen (hier: gynäkologische und sonographische Untersuchungen von Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch).
2. Auch bei der Entscheidung über die Zulassung einer Zweiarztpraxis kann die Versorgungssituation am geplanten Sitz berücksichtigt werden. Ist die entsprechende Leistung am vorgesehenen Ort bereits überversorgt, kann die Genehmigung verweigert werden, da jedenfalls eine Verbesserung der Versorgung durch Einrichtung einer Zweigarztpraxis nicht erreicht werden kann.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist die Genehmigung einer Zweigpraxis.
Die Klägerin ist als Ärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt "Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin" in H niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie ist Mitglied einer Berufsausübungsgemeinschaft, die sich auf diesen Schwerpunkt spezialisiert hat (www.kinderwunsch-nrw.de).
Unter dem 08.06.2007 beantragte die Berufsausübungsgemeinschaft bei der Beklagten die Genehmigung einer Nebenbetriebsstätte im Stadtzentrum von Düsseldorf. Die Nebenbetriebsstätte werde ausschließlich zur Erbringung reproduktionsmedizinischer Leistungen (Diagnostik bei Sterilität, Vorbereitung ovarieller Stimulationen, Inseminationen, extrakorporaler Befruchtungen) eingerichtet und verbessere die wohnortnahe Versorgung der entsprechenden Patienten, die teilweise bereits jetzt schon ihre Praxis aufsuchten. Ergänzend teilte die Berufsausübungsgemeinschaft unter dem 24.09.2007 mit, in der Nebenbetriebsstätte sollten ausschließlich Beratungen von Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch, deren gynäkologische und sonographische Untersuchungen sowie die entsprechende endokrinologische Diagnostik durchgeführt werden. Operative Leistungen seien nicht geplant.
Die Kreisstelle O der Beklagten schätzte diesen Antrag dahin ein, dass es sich hier um eine Rekrutierungsstelle von neuen Patienten handele. Die wohnortnahe Versorgung werde keineswegs verbessert, da die Patienten weiterhin nach H anreisen müssten. Demgegenüber empfahl der Vorstand der Kreisstelle Düsseldorf, den Antrag zu befürworten, weil entsprechend des Schirmerpapiers die Voraussetzung für eine Verbesserung der Versorgung erfüllt wäre.
Mit Bescheid vom 02.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab: Bei einem Versorgungsgrad von 131,7 % im Bereich der Gynäkologen im Planungsbereich Düsseldorf, der für die weitere Zulassung von Gynäkologen gesperrt sei, sei die Versorgungssituation ausreichend. Die in Düsseldorf zugelassenen Gynäkologen, die reproduktionsmedizinische Leistungen anböten, hätten freie Kapazitäten für die im Rahmen der Zweigpraxis zur Erbringung beantragten Leistungen. Für die Leistungen der künstlichen Befruchtung könne nicht auf traditionelle Planungsbereiche abgestellt werden, da erfahrungsgemäß interessierte Paare nach individueller Beratung und Information den Spezialisten ihrer Wahl aufsuchten, ohne der Entfernung nennenswert Rechnung zu tragen. Da in Düsseldorf die Patientenzahlen sogar zurückgingen, könne der Aspekt der freiwerdenden Kapazitäten nicht außer Betracht gelassen werden. Von einer eingehenden Prüfung der Versorgungssituation könne daher abgesehen werden.
Hiergegen richtet sich die am 08.01.2009 erhobene Klage.
Die Klägerin trägt vor, nachweislich seien etwa 25 % der Patientinnen ihrer Praxis in Düsseldorf wohnhaft; weitere Patientinnen wohnten in Stadtgebieten im Norden Düsseldorfs wie Duisburg, Mülheim und Essen. Allein für diese Patientinnen würde durch die Zweigpraxis eine Verbesserung der Versorgung durch eine wohnortnahe Versorgung eintreten. Die Beklagte habe es unterlassen, die gemäß § 24 Abs. 3 Nr. 1 Ärzte-ZV notwendige Ermittlung und Analyse der Versorgungssituation vorzunehmen. Soweit die Beklagte im laufenden Rechtsstreit eine Auskunft der Berufsausübungsgemeinschaft T u.a. aus E eingeholt habe, nach der in Bezug auf Leistungen der künstlichen Befruchtung Kapazitäten frei seien und keine Wartezeiten bei der Erbringung reproduktionsmedizinischer Leistungen bestünden, reiche allein diese Befragung nicht aus. Vielmehr bedürfe es einer weitergehenden Objektivierung dieser na...