Entscheidungsstichwort (Thema)
Heranziehung eines Dritten zum Kostenbeitrag für die stationäre Unterbringung während der Kurzzeitpflege
Orientierungssatz
1. Leistungen für eine stationäre Einrichtung sind vom Sozialhilfeträger nach § 92 Abs. 1 SGB 12 auch dann in vollem Umfang zu erbringen, wenn den in § 19 Abs. 3 SGB 12 genannten Personen die Aufbringung der Mittel zu einem Teil zuzumuten ist. Diese haben zu den Kosten der erbrachten Leistungen beizutragen.
2. Dem zur Kostenbeteiligung Verpflichteten ist die Aufbringung der Mittel dann zuzumuten, wenn dessen Einkommen die gesetzliche Einkommensgrenze übersteigt. Dabei wird der Kostenbeitrag auf die für den häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen beschränkt.
3. Die Höhe der erzielten Ersparnisse ist wegen des im Einzelfall zu betreibenden Verwaltungsaufwandes zu schätzen. Dabei ist der regelsatzmäßige Bedarf ein geeigneter Ansatzpunkt.
4. Die Heranziehung zur Kostenbeteiligung steht nicht im Ermessen des Leistungsträgers. § 92 Abs. 1 und 2 SGB 12 ist nicht als Ermessensvorschrift ausgestaltet, sondern sieht eine Kostenbeteiligungspflicht vor.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag für die stationäre Unterbringung ihrer Tochter D T M während der Kurzzeitpflege.
Die Klägerin ist Mutter zweier Kinder, davon ist eines, D T, 14 Jahre alt und behindert. Wegen der Behinderung geht D T zweimal jährlich für die Dauer von 2 Wochen in E in die Kurzzeitpflege. Die Kosten hierfür werden zum einen von der Pflegeversicherung und hinsichtlich des darüber hinausgehenden Betrages vom Beklagten übernommen. Allerdings begehrt der Beklagte von der Klägerin die Aufbringung eines Teils der Mittel, die er für die Kurzzeitpflege leistet. Im vorliegenden Verfahren im Streit steht die Heranziehung zu Kostenbeiträgen für den Aufenthalt in E vom 18.03.2005 - 02.04.2005 sowie vom 06.04.2006 - 23.04.2006.
Die Beklagte ermittelte hierzu das Einkommen der Klägerin, das für das Jahr 2004 durchschnittlich 3.569,45 EUR betrug, und die sonstigen Einkünfte. Nach Abzug der Kosten der Unterkunft (1.587,35 EUR) und den weiteren abzugsfähigen Belastungen berechnete die Beklagte den selbst zu tragenden Anteil und setzte diesen mit Bescheid vom 27.04.2005 (für die Zeit vom 18.03.2005 - 02.04.2005) auf 150,24 EUR sowie mit Bescheid vom 11.12.2006 (für die Zeit vom 06.04.2006 - 23.04.2006) auf 158,36 EUR fest. Der Kostenbeitrag sei gemäß §§ 92, 85 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Höhe ersparter Aufwendungen zu leisten. Er richte sich der Höhe nach nach dem Alter des Kindes und nach den Regelsätzen der Sozialhilfe. Dieser betrage seit dem 01.01.2005 für D T monatlich 310,50 EUR. Anteilig für den Zeitraum vom 18.03.2005 - 02.04.2005 betrage daher der von der Klägerin zu zahlende Kostenbeitrag 150,24 EUR. Dabei werde An- und Abreisetag als einen Tag berechnet. Die Begründung im Bescheid vom 11.12.2006 ist gleichlautend. Allerdings führte hier die Beklagte aus, dass seit dem 01.01.2005 der Regelsatz der Sozialhilfe für das Kind monatlich 279,45 EUR betrage. Anteilig für den Zeitraum vom 06.04.2006 - 23.04.2006 liege der zu zahlende Kostenbeitrag bei 158,36 EUR.
Hiergegen legte die Klägerin am 06.05.2005 und 08.01.2007 jeweils Widerspruch ein, in denen sie darauf hinwies, dass sich ersparte häusliche Aufwendungen nur hinsichtlich Verpflegung und Wasser (Körperpflege) ergäben. Alle übrigen Kosten (Wohnkosten, Kleidung pp.) liefen weiter. Daher sei die tatsächliche Ersparnis weniger geringer als angenommen. Der Kostenbeitrag solle neu berechnet werden.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 14.02.2007 und 15.02.2007 wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin als unbegründet zurück, setzte jedoch im Widerspruchsbescheid vom 15.02.2008 den Kostenbeitrag auf 153,36 EUR statt 158,36 EUR fest. In den Gründen führte der Beklagte aus: Es werde hier Eingliederungshilfe gemäß § 53 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX gewährt. Nach § 19 Abs. 3 SGB XII werde Hilfe in besonderen Lebenslagen, zu der auch die gewährte Eingliederungshilfe gemäß § 53 SGB XII gehöre, dem dort genannten Personenkreis gewährt, soweit dem Hilfesuchenden die Aufbringung der Mittel aus Einkommen und Vermögen nach den Bestimmungen des 11. Kapitels des SGB XII nicht zuzumuten sei. Erfordere die Behinderung die Gewährung der Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung, sei gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB XII die Hilfe hierfür auch dann im vollen Umfang zu gewähren, wenn den in § 19 SGB XII genannten Personen die Aufbringung der Mittel zu einem Teil zuzumuten sei. In Höhe dieses Teils habe der Hilfeempfänger bzw. seine Eltern zu den Kosten der Hilfe beizutragen. Aufgrund dieser Vorschrift werde der Tochter der Klägerin zu Recht die Eingliederungshilfe in voller Höhe der entstehenden Betreuungskosten gewährt. In der Höhe, in der der Klägerin die Aufbringung der Mittel jedoch zuzu...