Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachlich-rechnerische Berichtigung einer vertragszahnärztlichen Versorgungsleistung bei Wahl einer über § 28 Abs. 2 S. 2 SGB V (juris: SGB 5) hinausgehenden Versorgung
Orientierungssatz
1. Über die Leistungen nach § 28 Abs. 2 S. 2 SGB V (juris: SGB 5) hinausgehend sind alle aufwändigeren Füllungen, z.B. eine Inlay-Versorgung aus Gold oder Keramik oder die Verwendung frakturierter Zahnteile.
2. Die Verwendung frakturierter Zahnteile wird vom Bewertungsmaßstab zahnärztlicher Leistungen (BEMA) nicht erfasst.
3. Durch die Abwertung der BEMA-Nr. 25 und die Aufwertung der BEMA-Nr. 11 im Rahmen der BEMA-Neurelationierung zum 01.01.2004 hat sich ergeben, dass das Exkavieren und der provisorische Verschluss mit 19 Punkten mehr als dreimal so hoch bewertet ist als die indirekte Überkappung ggf. mit temporärem Verschluss mit 6 Punkten. Die Logik, die hinter dieser Umrelationierung steht, kann nur so interpretiert werden, dass es sich bei einer Cp-Behandlung um eine Maßnahme handelt, die in aller Regel mit einer gleichzeitigen definitiven Füllung einhergeht und die Bewertung des Mehraufwandes für die indirekte Überkappung als Zuschlagsleistung zu dieser definitiven Füllung verstanden wird.
4. Soweit ein Zahnfragment im Rahmen einer traumatologischen Sofortversorgung verwendet werden soll, ist die Wirksamkeit der Vereinbarung einer Privatbehandlung oder von Mehrkosten im Hinblick auf die Entscheidungsmöglichkeiten des Versicherten in einer "Notsituation" als fraglich zu betrachten.
5. Auf die Höhe des Kassenanteils bleibt dies aber ohne Einfluss.
Tenor
Der Bescheid vom 09.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2012 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist eine sachlich-rechnerische Berichtigung.
Der Kläger ist als Zahnarzt in M niedergelassen und zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen.
Am Sonntag, dem 13.02.2011, gegen 18:00 Uhr erschien die Patientin N T1, geb. 00.00.1994, in Begleitung ihrer Mutter T2 E-T1 im Notdienst in der Praxis des Klägers. Die Patientin war am Vormittag dieses Tages im Ruhrgebiet auf das Gesicht gefallen; dabei waren u.a. die Schneidezähne 11, 21 und 22 abgebrochen. Die Mutter der Patientin unterzeichnete eine Mehrkostenvereinbarung "MKV Füllungen § 28.2", nach welcher sie eine Versorgung in Form von Kunststofffüllungen als dentinadhäsive Rekonstruktion analog 215, 216, 217 GOZ (handschriftlicher Zusatz: dentinadhäsive Mehrschichtrekonstruktion, z.T. mit Fragmenten an 11, 12, 22) wünsche. Für seine Leistungen stellte der Kläger Zahnarzthonorar in Höhe von 465,60 EUR in Rechnung (je Zahn 11, 21, 22 Pos. 217 GOZ (Dentin-adhäsiv verankerte Kompositfüllung im Mehrschicht- und Umhärtungsverfahren), Steigerungssatz 2,3 = 155,20 EUR), abzüglich Kassenzuschuss für Füllungen (174 Punkte x Punktwert 0,9456 ct. = 164,52 EUR) sowie abzüglich eines "Rabatts lt. T3" in Höhe von 91,08 EUR. Hieraus ergaben sich von den Patienteneltern zu zahlende Gesamtkosten von 210,- EUR.
Mit Schreiben vom 27.07.2011 beschwerte sich die Mutter der Patientin über die mangelnde Aufklärung des Klägers vor Abschluss der Mehrkostenvereinbarung und sein Bestreben, die weitere Behandlung ihrer Tochter bei ihm und nicht beim Stammbehandler H durchführen zu lassen. Nach einem Beratungstermin bei dem Kläger am 08.03.2011 hätten die Eltern beschlossen, mit ihrer Tochter bei H zu bleiben. Dieser habe dann das funktionell und ästhetisch unbefriedigende Provisorium des Klägers entfernt und ohne Zuzahlung drei sehr schöne Vorderzähne für ihre Tochter wiederhergestellt.
Mit Bescheid vom 09.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2012 forderte die Beklagte die im Behandlungsfall der bei der DAK versicherten Patientin N T1 über die Krankenversichertenkarte abgerechneten Leistungen nach den BEMA-Positionen 12, 13d und 25 in Höhe von 191,01 EUR zurück:
Das Wiederbefestigen eines Zahnfragmentes mittels Dentin-Adhäsiv-Technik sei im BEMA nicht beschrieben und könne nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse abgerechnet werden. Da es sich bei dem Wiederbefestigen eines Zahnfragmentes aus vertragszahnärztlicher Sicht auch nicht um eine Füllung oder zwei Eckenaufbauten handele, könne die Mehrkostenregelung gemäß § 28 Abs. 2 SGB V keine Anwendung finden. Es handele sich bei dem Wiederbefestigen eines Zahnfragmentes vielmehr um eine rein außervertragliche Leistung, die - wie im vorliegenden Fall auch geschehen - privat zu liquidieren sei.
Zudem hätten die von dem Kläger durchgeführten Maßnahmen lediglich provisorischen Charakter gehabt, so dass auch aus diesem Grund eine Mehrkostenvereinbarung nach § 28 Abs. 2 SGB V respektive die Abrechnung der BEMA-Positionen 12, 13d und 25 nicht möglich gewesen sei. Erst durch den Nachbehandler seien die Zähne endgültig versorgt worden.
Ungeachtet dessen lasse sich dem Sachverhalt entnehmen, dass der Kläger die Weiterbehandlung der Patientin aus dem Notdienst heraus übernom...