Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruchsausschluss für eine Beschäftigung im Ghetto bei Entschädigung nach dem EVZStiftG
Orientierungssatz
Ist ein Verfolgter des Nazi-Regimes für eine im Ghetto verbrachte Zeit nach dem EVZStiftG entschädigt worden, so sind hierdurch weitere Ansprüche aus Tatbeständen im Zusammenhang mit der Verfolgung im Ghetto ausgeschlossen. Der Ausschluss nach § 16 Abs. 1 S. 2 EVZStiftG erfasst auch Forderungen gegenüber der Sozialversicherung und damit auch Abgeltungen nach dem ZRBG, dem SGB 6 und dem FRG.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Die am 00.00.1927 in Q in Polen geborene Klägerin ist Jüdin und Verfolgte des Nazi-Regimes und lebt seit 1948 in Israel mit der dortigen Staatsangehörigkeit.
Ein erster Rentenantrag von 1995, gestützt auf vermeintliche Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung aufgrund Tätigkeiten in einem DP-Lager in Kassel, blieb ohne Erfolg und wurde mit inzwischen bestandskräftigen Bescheiden vom 05.09.1997 und 19.03.1999 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte abgelehnt. Eine nachfolgende Klage wurde zurückgenommen (Bl. 145, 184 der Rentenakte).
Die Klägerin beantragte am 17.03.2003 erneut die Gewährung einer Regelaltersrente aus der deutschen Rentenversicherung, nun unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem ZRBG. Sie gab dabei an, zwar nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört zu haben; sie habe aber von September 1941 bis September 1943 während ihres Aufenthaltes im Ghetto von Wilno (Litauen) in einer Schneiderei innerhalb des Ghettos gearbeitet; dort habe sie Tätigkeiten im Schneiderressort wie Saum-Arbeiten und Knöpfe Annähen verrichtet. Über diese Arbeit sei sie sehr froh gewesen, weil die Arbeit sie vor Deportation geschützt habe. Sie habe 8 Stunden täglich gearbeitet. Die Arbeit sei durch den Judenrat vermittelt worden. Bekommen habe sie dafür Gutscheine, ausgestellt vom Judenrat, täglich ein Mittagessen, aber keinen Barlohn. Damit habe sie auch zum Unterhalt der Familie beitragen können (Bl. 188, 246 f der Verwaltungsakte). Gegenüber dem Entschädigungsfond der deutschen Wirtschaft habe sie auch Ansprüche geltend gemacht. Im September 1943 sei dann das Ghetto liquidiert worden und sie dann in das Zwangsarbeitslager HKP in einem Vorort von Wilno überführt worden. Dort sei sie dann verblieben bis zur Befreiung des Gebietes im Juli 1944. Nach Kriegsende sei sie nach Deutschland gekommen, in das DP-Lager Hasenhecke bei Kassel, und dort bis zur Auswanderung nach Israel (April 1948) geblieben. Eine Zeugenerklärung ihrer Schwester T wurde beigefügt, Bl. 248 der Akte.
Die Beklagte zog die Entschädigungsvorgänge über die Klägerin nach dem BEG von dem Regierungspräsidium Darmstadt bei (Bl. 195 ff, 214 ff, 216 Rückseite der Verwaltungsakte), wie auch Auszüge aus der Rentenakte der Schwester T1 (Bl. 254 ff der Rentenakte der Beklagten).
Mit Bescheid vom 27.07.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur Begründung führte sie aus, vom für eine Rente notwendigen Vorliegen einer entgeltlichen aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen freiwilligen Beschäftigung habe sich die Beklagte nicht überzeugen können. Eine solche Beschäftigung sei nicht glaubhaft gemacht. Gegen eine freiwillige Beschäftigung spreche, dass die Klägerin früher angegeben habe, dass es während der Arbeit in der Schneiderei Aufseher gegeben habe.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 07.08.2007 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie im wesentlichen vor, die Beklagte interpretiere die früheren Angaben zu "Aufsehern" falsch. Gemeint gewesen seien nicht NS-Aufseher als Bewacher, sondern nur Aufseher zur fachlichen Überprüfung, also zum Beispiel ein Schneidermeister. Eine eidesstattliche Versicherung wurde eingereicht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung gab sie ihre bisherige Begründung ausführlicher wieder und führte noch ergänzend aus, dass auch nach Auffassung des 4. Senats des LSG NRW im Urteil vom 13.01.2006 (L 4 RJ 113/03) davon auszugehen sei, dass nach Anordnungen des Gebietskommissars für die Stadt Wilna ein freiwilliger Einsatz von jüdischen Arbeitskräften nicht mehr möglich gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 27.11.2006 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung nimmt die Klägerin sinngemäß Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Eine Zwangsarbeit im eigentlichen Sinne sei nicht ausgeübt worden; eine Bewachung habe in der Schneiderei nicht stattgefunden. Allein das Bestehen einer generellen Arbeitsverpflichtung für Juden in Wilna begründe noch keine Zwangsarbeit im eigentlichen Sinne. Außerdem habe sie für ihre Tätigkeit im Schneiderressort Gutscheine erhalten, die einer geldwerten Bez...