Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. Fortwirkung des Aufenthalts- und Freizügigkeitsrechts als Arbeitnehmer bei Arbeitslosigkeit. keine ununterbrochene Beschäftigung für 1 Jahr. Addition der Beschäftigungszeiten aus mehreren, sich nicht nahtlos aneinander anschließenden Beschäftigungsverhältnissen
Orientierungssatz
Der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 findet keine Anwendung auf einen Unionsbürger, der vor Eintritt unfreiwilliger Arbeitslosigkeit im Inland zwei befristete Beschäftigungsverhältnisse als Arbeitnehmer hatte, die zwar jeweils nicht zu einer Beschäftigungsdauer von mehr als einem Jahr iS des § 2 Abs 3 S 1 Nr 2 FreizügG/EU 2004 geführt haben und sich nicht nahtlos, sondern erst nach sechzehn Tagen aneinander anschlossen, aber deren Beschäftigungszeiten insgesamt mehr als ein Jahr betragen.
Nachgehend
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II ab Antragstellung zu gewähren. Der Bescheid vom 28.7.2015 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 16.10.2015 wird entsprechend geändert.
2. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Leistungen nach dem SGB II. Der Kläger ist griechischer Staatsangehöriger und begehrt vom Beklagten die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum ab Antragstellung. Der Kläger ist im Dezember 2013 nach Deutschland eingereist und arbeitete zunächst vom 1.12.2013 bis zum 15.10.2014 bei der Firma ...; anschließend vom 1.11.2014 bis zum 28.2.2015 bei der Firma ... . Dem Kläger wurden auf seinen Antrag hin zunächst Leistungen nach dem SGB II von März bis zum 4. September 2015 bewilligt, ab 5. September 2015 jedoch zunächst nicht mehr. Aufgrund eines durchgeführten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens wurden dem Kläger weiterhin Leistungen nach dem SGB II in Form des Regelbedarfs geleistet. Inzwischen kündigte der Vermieter des Antragstellers aufgrund rückständiger Mieten das Mietverhältnis.
Nachdem der Kläger die Weiterbewilligung von bislang gewährter Leistungen nach dem SGB II beantragt hatte, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 28.7.2015 den Antrag ab. Der Kläger sei von Leistungen nach dem SGB II nach dessen § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ausgeschlossen. Das Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 3 S. 2 FreizügG/EU bestehe nach Ablauf der sechs Monate nicht mehr. Mehr als ein Jahr sei der Kläger aber nicht ununterbrochen tätig gewesen; darauf komme es an.
Der Kläger hat gegen den Ablehnungsbescheid Widerspruch erhoben sowie erfolgreich den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt Der Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2015 den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger sodann Klage erhoben.
Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm Leistungen nach dem SGB II zustünden. Er sei freizügigkeitsberechtigt im Sinne des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU, da er länger als ein Jahr in Deutschland abhängig beschäftigt gewesen war. Dass es sich um dieselbe Beschäftigung handeln müsse bzw. dass eine nahtlose Beschäftigung von einem Jahr vorliegen müsse - wie der Beklagte meint - gebe der Gesetzeswortlaut nicht her. Zudem müsse man auch den Stadtwechsels des Klägers und damit Zuständigkeitswechsel des Jobcenters berücksichtigen.
Der Kläger beantragt,
der Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 28.7.2015 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 16.10.2015 aufzuheben und dem Kläger die Leistungen nach dem SGB II ab Antragstellung zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger sei gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Der Kläger sei nicht durchgängig ein Jahr beschäftigt gewesen, wie aber - unter Verweis auf diverse Urteile und auf die vom Innenministerium herausgegebenen Verwaltungsvorschriften - erforderlich sei. Er halte sich - nur - zum Zwecke der Arbeitssuche in Deutschland auf und sei nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Insbesondere sei der gesetzliche Leistungsausschluss auch mit europäischem Recht vereinbar, wie die Urteile des BSG vom 3.12.2015 bestätigt hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und unbegründet. Der Kläger wird durch den angegriffenen Bescheid bzw. Widerspruchbescheid beschwert im Sinne des § 54 SGG. Denn die Bescheide sind rechtswidrig. Der Kläger ist nicht gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
1. Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß