Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Übernahme der Kosten eines Umzugs. Voraussetzung der Übernahme der Ausgaben für ein Umzugsunternehmen. alleinige Betreuung eines Kleinkindes als Kostenübernahmegrund

 

Orientierungssatz

1. Hat ein Grundsicherungsträger eine Zusicherung zur Übernahme der Kosten einer neuen Wohnung erteilt, ist er dem Grunde nach auch verpflichtet, angemessene Aufwendungen für den Umzug zu übernehmen.

2. Bei einer alleinerziehenden Hilfebedürftigen kann der Grundsicherungsträger jedenfalls dann, wenn ein Kleinkind im Haushalt zu betreuen ist (hier: zweijähriges Kind), die Betroffene nicht mehr auf einen selbstorganisierten Umzug verweisen sondern muss Mittel zur Finanzierung eines durch ein Umzugsunternehmen oder einen vergleichbaren Dienst organisierten Umzugs zur Verfügung stellen.

3. Einzelfall zur Übernahme der Kosten für ein Umzugsunternehmen bei Wohnungswechsel eines Grundsicherungsempfängers durch einen Grundsicherungsträger (hier: Kostenübernahmepflicht bejaht).

 

Tenor

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin zur Bestreitung ihres Umzuges in die R.str. in E. vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens ein Darlehen in Höhe von EUR 998,41 zu gewähren.

Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Umzugskosten.

Die 42jährige Antragstellerin lebt mit ihrer 15jährigen Tochter und ihrem 2jährigen Sohn in einer Wohnung in der S.str. in E ... Die Bedarfsgemeinschaft steht fortlaufend im Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Die Warmmiete für die Wohnung in der S.str. beträgt EUR 528,20 (Grundmiete: EUR 330; Heizkosten: EUR 88,20; Nebenkosten: EUR 110,00). Der Ehemann der Antragstellerin und Vater des jüngsten Sohnes, bei dem infolge Drogenmissbrauchs eine Hepatitis C diagnostiziert wurde, lebt seit dem 1.7.2010 von der Familie getrennt.

Die Antragstellerin hat drei weitere erwachsene Kinder von unterschiedlichen Vätern, die nicht mehr in ihrem Haushalt wohnen.

Unter dem 15.6.2010 kündigte der Vermieter der Antragstellerin das Mietverhältnis zum 30.9.2010 wegen Eigenbedarfes.

Am 25.6.2010 sprach die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin vor. Sie reichte ein Mietangebot vom 22.6.2010 über eine 73,56 qm große, unrenovierte Wohnung in der R.str. 41 in E. zu den Akten mit einer Grundmiete von EUR 348,00 und Betriebskosten in Höhe von EUR 110,00 monatlich.

Ausweislich der Verhandlungsniederschrift vom selben Tage stimmte die Antragsgegnerin dem Umzug zu und bestätigte die Angemessenheit der neuen Miete. Die Antragstellerin beantragte die Übernahme der Umzugskosten, sie verfüge weder über einen Führerschein noch über private Helfer.

Mit Schreiben vom 25.6.2010, dem keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass eine Übernahme der Kosten für ein Umzugsunternehmen nicht in Betracht komme, da sie die Voraussetzungen hierfür nicht erfülle. Sie möge drei Kostenvoranschläge von Autoverleihfirmen beibringen. Zudem könnten vier Umzugshelfer für eine Verköstigungspauschale von EUR 20,00 engagiert werden.

Unter dem 30.6.2010 unterzeichnete die Antragstellerin den Mietvertrag über die Wohnung in der R.str. 41 in E. mit Mietbeginn zum 1.9.2010.

Mit Schreiben vom 6.7.2010 bestätigte der Vermieter der Antragstellerin auf Anfrage, dass sie das Mietverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist bereits zum 1.9.2010 beenden könne.

Unter dem 11.7.2010 legte die Antragstellerin gegen das Schreiben der Antragsgegnerin vom 25.6.2010 "Beschwerde" ein. Sie habe keine privaten Umzugshelfer. Der Behörde sei die Drogen- und Gefängnisvergangenheit ihres Ehemannes bekannt. Zugleich legte sie drei Kostenvoranschläge für den geplanten Umzug über EUR 1.190,00, EUR 998,41 und EUR 1.000,00 vor (Bl. 971 ff. Bd. III LA).

Mit Bescheid vom 21.7.2010 lehnte die Antragsgegnerin die Übernahme der Kosten für das Umzugsunternehmen ab. Die Antragstellerin sei nicht anspruchsberechtigt, da sie nicht älter als 65 sei, einen Grad der Behinderung von 50 bzw. einen Pflegebedarf der Pflegestufe 1 habe oder aber ein privatärztliches Attest vorlegen könnte und zusätzlich nachgewiesen habe, dass sie nicht über Helfer im Familien- und Freundeskreis verfüge.

Ebenfalls mit Bescheid vom 21.7.2010 gewährte die Antragsgegnerin der Antragstellerin ein Darlehen für die Mietkaution in Höhe von EUR 1.044,00.

Gegen den die Übernahme der Umzugskosten für ein Umzugsunternehmen ablehnenden Bescheid legte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27.7.2010 Widerspruch ein.

Mit ihrem unter dem 19.8.2010 bei Gericht eingegangen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt die Antragstellerin weiterhin die Übernahme der Kosten für ein Umzugsunternehmen. Zur Glaubhaftmachung hat sie ein Attest ihres behandelnden Allgemeinmediziners, Dr. K., vom 10.8.2010 vorgelegt, das ihr unter anderem Tachykardie...

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