Entscheidungsstichwort (Thema)

Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zur Kostenübernahme eines Integrationshelfers zum Besuch der Kindertagesstätte durch ein behindertes Kind

 

Orientierungssatz

1. Die Übernahme der Kosten eines Integrationshelfers stellt eine Leistung der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 S. 1 SGB 12 i. V. m. § 55 Abs. 1 SGB 9 dar. Danach werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft solche Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen oder sichern oder sie soweit wie möglich unabhängig von der Pflege machen. Hierzu zählt u. a. die Übernahme der Kosten eines Integrationshelfers zur Sicherung des Besuchs einer Kindertagesstätte.

2. Beruht der Bedarf des behinderten Kindes auf Ausgleich seiner Defizite in der Mobilität, nämlich u. a. in der Verbringung in verschiedene Räume infolge seiner Gehunfähigkeit, der Körperhygiene - Toilettengänge - sowie bei der Nahrungsaufnahme und der Aufnahme von Flüssigkeiten, so wird deren Ausgleich durch Leistungen der Eingliederungshilfe durch die Stellung eines Integrationshelfers bewirkt.

3. Erfolgt eine Hilfe Dritter bis zur Entscheidung des Sozialhilfeträgers im Vorgriff auf die zu erwartende Leistung, so lässt eine dadurch eintretende tatsächliche Bedarfsdeckung den sozialhilferechtlichen Bedarf nicht entfallen.

 

Tenor

Der Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, ab dem 16.01.2015 für die Dauer von sechs Monaten, längstens jedoch bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, vorläufig die dem Antragsteller bis zum 13.02.2015 entstandenen und ab dem 14.02.2015 im Falle einer entsprechenden Beauftragung entstehenden Kosten für die Bereitstellung eines Integrationshelfers zur Begleitung des Antragstellers während des Besuchs des Integrativen Montessori Kinderhauses in K. in einem zeitlichen Umfang bis zu 19,5 Stunden wöchentlich bis zu einem Betrag i.H.v. 1.100,76 EUR monatlich zu übernehmen.

Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Kosten für einen Integrationshelfer zum Besuch einer Kindertagesstätte.

Bei dem am 20.12.2010 geborenen Antragsteller sind u.a. kombinierte umschriebene Entwicklungsstörungen (ICD 10, F83), eine infantile hemiplegische Zerebralparese (ICD 10, G80.2), eine spastische rechtsseitige Tetraparese (ICD 10, G82.4), ein Strabismus verticalis (ICD 10, H50.2) sowie sonstige tief greifende Entwicklungsstörungen (ICD 10, F84.9) diagnostiziert. Ausweislich eines in der Verwaltungsakte befindlichen Schwerbehindertenausweises vom 11.12.2012 ist der Antragsteller schwerbehindert bei einem Grad der Behinderung (GdB) von 80. Weiterhin wurde das Merkzeichen "G" festgestellt. Seit Januar 2014 erhält der Antragsteller Leistungen der Pflegestufe III.

Am 03.04.2014 stellte der Antragsteller, vertreten durch seine Eltern, einen Antrag auf Kostenübernahme einer Integrationsfachkraft für den Besuch des integrativen Montessori Kinderhauses Reichswalde in K. ab dem 01.08.2014. Mit Schreiben vom 31.03.2014 teilte die Kindertagestätte dem Antragsgegner mit, dass bei dem Antragsteller ein besonders hoher Bedarf von Förderung und Begleitung bestehe und er auf eine Unterstützung durch eine Integrationsfachkraft angewiesen sei. Die Integrationsfachkraft werde den Antragsteller "in allen lebenspraktischen Bereichen (Toilettengang, Essen, An- und Ausziehen ) und Kindergartentätigkeiten (Spielen, Fortbewegen, Turnen, Schneiden, ) unterstützen, kleinschrittig die entsprechenden Handlungsabläufe mit ihm gemeinsam immer wieder durchführen, um ihm zu zunehmender Selbstständigkeit zu verhelfen". Zusätzlich werde die Integrationsfachkraft das Geschehen um den Antragsteller herum verbal unterstützen, damit er aus Abläufen etc. zusätzliche Informationen gewinnen und seinen Wortschatz aufbauen und erweitern könne. Im Bereich der Orientierung und Mobilität werde die Integrationsfachkraft mit dem Antragsteller die Räumlichkeiten mit seinen Funktionen und Spielmöglichkeiten erarbeiten. Im sozial-emotionalen Bereich komme der Integrationsfachkraft eine wichtige Mittlerrolle zu. Sie werde das Knüpfen von Freundschaften unterstützen und begleiten und gemeinsames Spielen mit Kindern initiieren. Die Frühförderstelle für den Kreis K. gGmbH, welche den Antragsteller seit dem 01.06.2012 heilpädagogisch, ergotherapeutisch, physiotherapeutisch und logopädisch betreut, bescheinigte dem Antragsteller mit Schreiben vom 20.04.2014, dass er einen Integrationshelfer zur Gewährung seiner Teilhabe im Kindergarten benötige.

In einer Stellungnahme vom 21.05.2014 führte das Gesundheitsamt des Antragsgegners aus, dass bei dem Antragsteller eine wesentliche Behinderung vorliege. Der Antragsteller benötige Hilfe durch einen Integrationshelfer bei der Verbringung in verschiedene Räume (infolge von Gehunfähigkeit und mangels Orientierung), bei Toilettengängen (infolge einer Blasen- und Darminkontinenz) sowie bei der Nahr...

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