Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung eines Widerspruchs wegen fehlender Bevollmächtigung durch den Widerspruchsführer
Orientierungssatz
1. Die Zurückweisung eines Widerspruchs wegen fehlender Bevollmächtigung durch die Behörde darf nur unter den für das gerichtliche Verfahren entwickelten Voraussetzungen erfolgen. Hierzu bedarf es zur Zurückweisung eines Widerspruchs mangels Vollmacht als unzulässig einer vorherigen schriftlichen Aufforderung der Widerspruchsbehörde, binnen einer bestimmten Frist die Vollmacht nachzureichen. Zusätzlich ist der Hinweis erforderlich, dass anderenfalls der Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen werde.
2. Anderenfalls ist auch der durch § 24 SGB 10 geschützte Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2019 verpflichtet, den Widerspruch der Klägerin vom 19.08.2019 gegen den Bewilligungsbescheid vom 18.07.2019 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 05.08.2019 und vom 23.11.2019 in der Sache zu bescheiden. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit eines Widerspruchs.
Die am 27.10.19xx geborene Klägerin bezieht von dem Beklagten laufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch [SGB II]. Mit Bescheid vom 18.07.2019 gewährte der Beklagte ihr monatliche Leistungen von 415,95 EUR für den Zeitraum vom 01.09.2019 bis zum 31.08.2020. Mit Änderungsbescheid vom 05.08.2019 verringerte der Beklagte die Leistungshöhe für den Zeitraum vom 01.09.2019 bis zum 31.08.2020 auf monatlich 386,53 EUR.
Mit Schreiben vom 19.08.2019 erhob der Prozessbevollmächtigte im Namen der Klägerin Widerspruch (Az. W xxx4/19) gegen den Bewilligungsbescheid vom 18.07.2019 und rügte insbesondere die Höhe der Leistungen, die für Unterkunft und Heizung gewährt worden waren. Das Widerspruchsschreiben enthält die eingescannte Unterschrift des Prozessbevollmächtigten. Zudem wurde eine Vollmacht der Klägerin vom 18.12.2018 eingereicht, welche ebenfalls mit einer eingescannten Unterschrift versehen war. Am 19.08.2019 erhob der Prozessbevollmächtigte mit gesondertem Schreiben einen weiteren Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 05.08.2019 (Az. W xxx5/19).
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.2019 wies der Beklagte den Widerspruch zum Az. W 5774/19 als unzulässig zurück. Gemäß § 84 Sozialgerichtsgesetz [SGG] sei eine eigenhändige Unterschrift grundsätzlich zur Widerspruchserhebung erforderlich. Diese liege nicht vor. Neben einer eingescannten Unterschrift des Prozessbevollmächtigten auf dem Widerspruchsscheiben sei auch die Unterschrift auf der Vollmacht lediglich eingescannt und weiche von der Unterschrift der Klägerin ab, welche diese auf Weiterbewilligungsanträgen gegenüber dem Beklagten verwandt habe. Die Vollmacht datiere auf den 18.12.2018 und solle eine unzulässige Pauschalvollmacht enthalten. Es seien keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Widerspruch mit Wissen und Wollen in den Verkehr gebracht worden sei.
Mit Schriftsatz vom 19.09.2019, der am selben Tag beim SG Duisburg eingegangen ist, hat der Prozessbevollmächtigte im Namen der Klägerin Klage erhoben. Auch in diesem Zusammenhang übersandte der Prozessbevollmächtigte die Vollmacht der Klägerin, welche auf den 18.12.2018 datierte. Zudem überreichte er aktuelle Unterlagen der Klägerin zum Prozesskostenhilfeverfahren. Die Klägerin trägt vor, dass der Beklagte den Widerspruch zu Unrecht als unzulässig verworfen habe. Es liege kein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis nach § 84 SGG vor. Zwar sei grundsätzlich eine eigenhändige Unterschrift erforderlich. Wenn aber allein aus dem Schriftsatz oder in Verbindung mit beigefügten Unterlagen die Urheberschaft und der Wille das Schreiben in den Verkehr zu bringen hinreichend sicher hervorgehen würden, sei nach der Rechtsprechung die Schriftform ebenfalls gewahrt. Dies sei hier der Fall. Eine Zurückweisung wäre allenfalls dann möglich gewesen, wenn der Prozessbevollmächtigte seitens des Beklagten zuvor nach § 13 Abs. 1 S. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X] erfolglos zum Nachweis seiner Bevollmächtigung aufgefordert worden sei. Eine solche vorherige Aufforderung zum Nachweis der Bevollmächtigung hätte es hier aber nicht gegeben. Es sei daher, unter isolierter gerichtlicher Aufhebung des fehlerhaften Widerspruchsbescheides, erneut durch den Beklagten über den Widerspruch der Klägerin in der Sache zu entscheiden. Dabei sei auch unabhängig von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache erneut über den Widerspruch zu entscheiden.
Die Klägerin beantragt mit Schriftsatz vom 19.09.2020,
die Beklagte unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2019 zu verpflichten, über den Widerspruch der Klägerin vom 19.08.2019 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 15.10.2019,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist ergä...