Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung der Rentner. keine Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft zum Zwecke des Beitritts zur freiwilligen Versicherung
Orientierungssatz
Eine Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner zugunsten eines Beitritts zur freiwilligen Versicherung ist nicht möglich. Dies ergibt sich aus einer systematischen Auslegung sowie Sinn und Zweck von §§ 8 und 9 SGB 5 unter Einbeziehung ihrer Entstehungsgeschichte.
Nachgehend
BSG (Vergleich vom 04.09.2013; Aktenzeichen B 12 KR 18/11 R) |
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin sich von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) befreien lassen und gleichzeitig freiwilliges Mitglied bei der Beklagten werden kann.
Die am 23.10.19xx geborene Klägerin ist seit 1982 Mitglied bei der Beklagten. Sie war zuletzt über ihren Ehemann freiwilliges Mitglied. Am 28.07.2010 beantragte sie eine Regelaltersrente, die ihr mit Bescheid vom 19.10.2010 ab November 2010 gewährt wurde.
Am 18.08.2010 beantragte sie die Befreiung von der Versicherungspflicht in der KVdR. Die Beklagte lehnte den Antrag unter Berufung auf § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - und das Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 28.04.1987 (12 RK 51/86) ab. Hiergegen legte die Klägerin am 15.09.2010 Widerspruch ein. Am 11.10.2010 stellte sie einen Antrag auf freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten. Der bereits gestellte Befreiungsantrag solle unter der Bedingung stehen, dass die Beklagte sie als freiwilliges Mitglied aufnehme. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2011 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 24.02.2011 erhobene Klage.
Die Beteiligten haben den Rechtsstreit ausdrücklich auf die Frage der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung beschränkt.
Die Klägerin trägt vor, sie könne sich gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V von der Versicherungspflicht in der KVdR befreien lassen. Die Frist des § 8 Abs. 2 SGB V sei gewahrt. Das von der Beklagten in Bezug genommene Urteil des BSG vom 28.04.1987 sei für den vorliegenden Fall nicht maßgeblich, da es sich nicht mit § 8 SGB V, sondern mit dessen Vorgängervorschrift, § 173a Reichsversicherungsordnung (RVO), befasse. Sodann seien die Voraussetzungen einer freiwilligen Mitgliedschaft nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGB V gegeben. Wegen der Möglichkeit einer freiwilligen Mitgliedschaft im Anschluss an eine Befreiung nach § 8 SGB V werde auf die Kommentierung von Peters, in: KassKomm, § 9 SGB V Rdnr. 16 verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 02.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.02.2011 zu verurteilen, sie von der Versicherungspflicht zu befreien und gleichzeitig ab Stellung des Rentenantrags am 28.07.2010 als freiwilliges Mitglied aufzunehmen,
hilfsweise die Sprungrevision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Entscheidungen nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - beschwert, da diese rechtmäßig sind. Die Klägerin war nicht von der Versicherungspflicht in der KVdR zu befreien und sodann als freiwilliges Mitglied aufzunehmen.
Die Klägerin ist zunächst mit Stellung ihres Rentenantrags und sodann mit Gewährung der Rente gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V i.V.m. § 189 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB V kraft Gesetzes Pflichtmitglied in der KVdR geworden (vgl. hierzu Peters, in: KassKomm, Stand: April 2008, § 5 SGB V Rdnr. 206). Mit Beginn dieser Pflichtmitgliedschaft endete gemäß § 191 Nr. 2 SGB V die vorherige und vom Ehemann abgeleitete freiwillige Mitgliedschaft.
Der von der Klägerin im Ergebnis erstrebte Beitritt zur freiwilligen Versicherung kann im vorliegenden Fall alleine nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 SGB V erfolgen. Entsprechend müsste die Klägerin entweder "als Mitglied aus der Versicherungspflicht ausgeschieden" sein (hierzu unter 1.) oder eine Person sein, "deren Versicherung nach § 10 SGB V" erloschen ist (hierzu unter 2.). Hier lag aber weder der eine noch der andere Fall vor.
1. Es liegt zunächst kein Fall eines Ausscheidens aus der Versicherungspflicht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V vor.
Ohne den hier vorliegenden Fall eines Rentenantragstellers bzw. Rentenbeziehers ausdrücklich zu thematisieren wird allerdings in der Kommentarliteratur überwiegend vertreten, ein "Ausscheiden" im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. ...