Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilferecht: Leistungen zur Eingliederung für ambulant betreutes Wohnen. Berücksichtigung von Vermögen bei der Bedarfsermittlung. Verwertbarkeit eines Erbteils
Orientierungssatz
1. Im Rahmen der Gewährung von sozialhilferechtlicher Eingliederungshilfe für ambulant betreutes Wohnen ist von einer Verwertbarkeit eines Erbteils (hier: Grundstückseigentum) als Vermögen schon dann auszugehen, wenn die Erbengemeinschaft aufgelöst werden kann und diese Auflösung jedenfalls bei der Antragstellung auf Gewährung von Sozialhilfeleistungen nicht völlig ungewiss war. Der Zeitraum, der angesetzt wird, um die Möglichkeit einer Verwertung und damit auch deren mögliche Ungewissheit zu beurteilen, kann dabei auch länger als zwölf Monate angesetzt werden.
2. Eine Gewährung von Sozialhilfeleistungen in Form von Eingliederungshilfe für ambulant betreutes Wohnen kann nicht deshalb trotz Vorhandenseins von Vermögen in Form eines Erbteils als Zuschuss anstatt als Darlehen verlangt werden, weil der Betroffene ein länger andauerndes Verfahren der Erbauseinandersetzung statt einer auch möglichen freihändigen Verwertung seines Erbanteils initiiert hat.
3. Einzelfall zur Ermittlung eines Sozialhilfebedarfs für Leistungen zur Eingliederung für ambulant betreutes Wohnen (hier: Anspruch auf lediglich darlehensweise Leistungsgewährung wegen des Vorhandenseins verwertbaren Vermögens bejaht).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten für Eingliederungshilfeleistungen für ambulant betreutes Wohnen in dem Zeitraum vom 18.06.2009 bis zum 31.10.2010.
Die im Jahre 1954 geborene Klägerin bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Rheinland. Weiterhin bezieht sie ergänzend Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch -Sozialhilfe- (SGB XII).
Am 16.02.2008 verstarb die Mutter der Klägerin. Ausweislich eines gemeinschaftlichen Erbscheins vom 26.03.2009 (AG Essen, Az. 151 VI 400/08) wurde die Mutter der Klägerin zu je einhalb von der Klägerin sowie der im Jahre 1962 geborenen Schwester der Klägerin, Frau I. H., beerbt. Am 02.10.2008 wurde Herr Rechtsanwalt Th.F. von dem Amtsgericht Mülheim an der Ruhr zum Betreuer der Klägerin bestellt. Mit Beschluss vom 03.12.2009 bestellte das Amtsgericht Essen Herrn Rechtsanwalt Ch. K. zum Betreuer der Schwester der Klägerin.
Am 16.07.2009 stellte der Beigeladene einen Antrag auf Leistungen der Eingliederungshilfe für die Klägerin bei dem Beklagten. Beigefügt war ein individueller Hilfeplan für den Zeitraum vom 18.06.2009 bis zum 30.06.2010. Ausweislich dieses Hilfeplans wurde ein Bedarf der Klägerin i.H.v. vier Fachleistungsstunden pro Woche ermittelt. In dem ebenfalls beigefügten Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII wurde angegeben, dass die Klägerin über Vermögen in Gestalt von Grundstücken verfüge bzw., dass sie Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch -Grundsicherung für Arbeitsuchende- (SGB II) beziehe, "obwohl sie Miteigentümerin von zwei Mehrfamilienhäusern" sei. Mit Schreiben vom 11.11.2009 bat der Beklagte den Betreuer der Klägerin um Erläuterung des vorhandenen Vermögens. Mit Schreiben vom 17.11.2009 teilte der Betreuer der Klägerin dem Beklagten mit, dass die Klägerin und ihre Schwester eine Erbengemeinschaft bildeten, die Eigentümer zweier Liegenschaften, und zwar S.-Weg 32 in Essen und T.-Straße 1 in Mülheim, sei. Wertgutachten zu den Häusern lägen nicht vor. Aufgrund eines erheblichen Renovierungsbedarfs dürften die Häuser auf dem Immobilienmarkt allerdings unverkäuflich sein. Ein Verkauf oder eine dingliche Belastung der Häuser könne nur durch die Erbengemeinschaft erfolgen, wobei vonseiten der Schwester der Klägerin kein Einverständnis mit einem Verkauf bestehe.
Am 10.05.2010 ging ein Folgeantrag für Leistungen des ambulant betreuten Wohnens betreffend den Zeitraum vom 01.07.2010 bis zum 30.06.2011 bei dem Beklagten ein. Hiernach wurde ein Bedarf von 1,5 Fachleistungsstunden pro Woche ermittelt.
Mit Schreiben vom 21.05.2010 bat der Beklagte den Betreuer der Klägerin um Nachweise bezüglich der Belastungen des Grundvermögens sowie bezüglich von Mieteinnahmen. Weiterhin forderte der Beklagte bei dem Amtsgericht Mülheim an der Ruhr Grundbuchauszüge bezüglich des Grundstücks T.-Straße 1 in Mülheim sowie bei dem Amtsgericht Essen bezüglich des Grundstücks S.-Weg 32 in Essen an. Ausweislich der eingeholten Grundbuchauszüge waren die Klägerin und ihre Schwester bei beiden Grundstücken als Eigentümer in Erbengemeinschaft eingetragen.
Mit Schreiben vom 29.09.2010 teilte der Beklagte dem Betreuer der Klägerin mit, dass er beabsichtige, darlehensweise gemäß § 91 SGB XII zu leisten. Zur Begründung führte der Beklagte an, dass die Klägerin in Erbengemeinschaft mit ihrer Schwester über Vermögen in Form von zwei Mehrfamilienhäusern verfüge. Die Klägerin bewohne eine Wohnung in dem Mehrfamilienhaus T.-Straße 1 i...