Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer ohne Aufenthaltsrecht oder bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. Aufenthalt aus familiären Gründen. Nichtanwendbarkeit des § 28 Abs 1 S 1 Nr 3 AufenthG 2004 auf den sorgeberechtigten Elternteil eines freizügigkeitsberechtigten minderjährigen Unionsbürgers
Orientierungssatz
Zur Nichtanwendbarkeit von § 28 Abs 1 S 1 Nr 3 AufenthG 2004 unmittelbar oder analog auf minderjährige Unionsbürger und ihre Eltern.
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Die 2001 geborene Antragstellerin lebt mit ihrem Lebenspartner und den in den Jahren 2019, 2020, 2021 und 2023 geborenen gemeinsamen Kindern in einer Bedarfsgemeinschaft. Die Antragstellerin, ihr Lebenspartner und die gemeinsamen Kinder haben die rumänische Staatsbürgerschaft. Der Lebenspartner der Antragstellerin ist auf Minijobbasis erwerbstätig bei einer Sicherheits- und Servicedienstleistungsfirma. Seit dem 24.06.2022 leben sie in der A-Straße, A-Stadt. Unter dem 27.07.2022 beantragte der Lebenspartner der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II für die Bedarfsgemeinschaft bei dem Antragsgegner. Mit Bescheid vom 25.01.2023 bewilligte der Antragsgegner vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Lebenspartner der Antragstellerin und die gemeinsamen Kinder. Im Übrigen lehnte der Antragsgegner den Antrag für die Antragstellerin ab aufgrund eines fehlenden Arbeitnehmerstatus. Hiergegen legte die Antragstellerin unter dem 07.02.2023 Widerspruch ein. Die sodann anwaltlich vertretene Antragstellerin trug vor, dass sie der Auffassung sei, dass ihr als sorgeberechtigtem Elternteil der minderjährigen freizügigkeitsberechtigten Kinder ein Aufenthaltsrecht nach § 11 Abs. 14 S. 1 Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU) i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und Art. 18 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zustehe, so dass ein Leistungsausschluss nicht greife. Die Kinder seien auf die Betreuung durch die Antragstellerin angewiesen; eine Ausreise sei nicht zumutbar. Den Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 10.03.2023 zurück. Er verweist wiederum darauf, dass die Antragstellerin von Leistungen ausgeschlossen sei, da sich ihr Aufenthaltsrecht alleine zum Zwecke der Arbeitssuche ergebe.
Am 14.03.2023 hat die Antragstellerin Klage erhoben und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Zur Begründung wiederholte sie ihren Vortrag im Widerspruchsverfahren und fügte hinzu, dass das Existenzminimum nicht gesichert sei, so dass Eilrechtsschutz erforderlich wäre.
Die Antragstellerin beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin ab Antragstellung für einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Zeitraum Leistungen nach dem SGB II gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner ist weiterhin der Auffassung, dass der Antragstellerin kein von den Kindern abgeleitetes Aufenthaltsrecht zustehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, voraus, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind dabei glaubhaft gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG. zu machen.
Materielle Rechtsgrundlage für den Anordnungsanspruch der Antragstellerin auf Gewährung von Arbeitslosengeld II ist § 7 SGB II i.V.m. § 19 Abs. 1 SGB II. Die Anspruchsvoraussetzungen sind grundsätzlich erfüllt; insbesondere sind die gesetzlichen Bedarfe der Antragstellerin nicht durch zu berü...