Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.07.2015; Aktenzeichen B 12 KR 4/14 R)

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten zu 1) vom 19. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2009 wird aufgehoben, soweit die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 1. September 2009 bis 30. November 2010 unter Anwendung des allgemeinen Beitragssatzes nach § 248 Satz 1 SGB V festgesetzt wurden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte zu 1) hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 20 % zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die der Klägerin von ihrem früheren Arbeitgeber gewährten "Übergangsbezüge" in der freiwilligen Krankenversicherung und der Sozialen Pflegeversicherung in dem Zeitraum vom 1. März 2008 bis 30. November 2010 beitragspflichtig sind.

Die 1950 geborene Klägerin war bis 31. Dezember 2005 bei der Firma C. GmbH beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers vom 2. November 2004. Aus diesem Anlass erhielt die Klägerin auf der Grundlage der Konzernbetriebsvereinbarung zur Regelung personeller Maßnahmen (Konzernbetriebsvereinbarung K 4/2003) der D. AG vom 12. Mai 2003 als "Abfindung für den Verlust ihres Arbeitsplatzes" eine "Zeitrente" vom 1. Januar 2006 bis 29. Februar 2008 in Höhe von monatlich 1.569,00 € und vom 1. März 2008 bis 30. November 2010 in Höhe von monatlich 3.132,00 € (Schreiben der C. AG vom 3. November 2004 und 12. Dezember 2005). In der der Klägerin erteilten Bescheinigung vom 12. Dezember 2005 bezifferte die C. GmbH den Gesamtbetrag der "Zeitrente" auf 144.150,00 € vor Steuern.

§ 5 der Konzernbetriebsvereinbarung lautet auszugsweise wie folgt:

"5. Vorzeitige Pensionierungen von Mitarbeitern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben

5.1 Mitarbeitern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und deren Arbeitsplatz wegfällt, ohne dass die Möglichkeit einer Versetzung besteht, wird das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt gekündigt. Der Mitarbeiter erhält eine Leistungszusage nach dieser Regelung. ….

5.2.1 Verfahren

Der vorzeitig pensionierte Mitarbeiter verpflichtet sich, ab dem Zeitpunkt der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses die Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit in Anspruch zu nehmen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt den Antrag auf Altersrente, bei Vorliegen der Voraussetzungen gegebenenfalls auch Erwerbsminderungsrente, bei dem für ihn zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen.

5.2.2 Zuschuss des Unternehmens während der Übergangszeit

Übergangszeit ist die Zeit ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres. ….

Für die Dauer der Übergangszeit wird der Mitarbeiter, der monatliche Übergangsbezüge erhält, wirtschaftlich so gestellt, dass er 60% seines letzten monatlichen Brutto-Regeleinkommens erhält. Dabei werden angerechnet: Arbeitslosengeld, Sozialversicherungsrente, Pensionskassenrente und Versorgungsbezüge des Unternehmens. …..

Mitarbeiter können sich anstelle der monatlichen Übergangsbezüge für eine einmalige Abfindung entscheiden. Die auf die Übergangsbezüge bzw. Abfindung anfallenden Steuern bzw. Krankenkassenbeiträge trägt der Mitarbeiter. …..

5.2.4 Betriebliche Altersversorgung

Die betrieblichen Versorgungsleistungen werden ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens, frühestens jedoch mit Vollendung des 60. Lebensjahres gezahlt. Bei der Berechnung der betrieblichen Versorgungsleistungen wird die Übergangszeit als Zurechnungszeit in der betrieblichen Grund- und Zusatzversorgung wie folgt berücksichtigt: Die Zurechnungszeit endet nach längstens drei Jahren, spätestens aber mit Vollendung des 60. Lebensjahres. ….."

Die Klägerin bezog vom 1. Januar 2006 bis 29. Februar 2008 Arbeitslosengeld der Bundesagentur für Arbeit nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) und war versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Seit 1. März 2008 ist sie in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwilliges Mitglied der zu 1) beklagten Krankenkasse und in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichertes Mitglied der zu 2) beklagten Pflegekasse. In einem Fragebogen der Beklagten zu 1) "Mein Versicherungsverhältnis ab 01.03.2008" gab die Klägerin unter dem Datum 15. Februar 2008 an, sie sei arbeitslos und habe Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von monatlich minus 405,00 € sowie sonstige Einnahmen (Abfindung) in Höhe von monatlich 3.132,00 €.

Die Beklagte zu 1) setzte mit Beitragsbescheid (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) vom 26. Februar 2008 (der nicht in der Verwaltungsakte der Beklagten enthalten ist) den Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. März 2008 auf insgesamt 521,47 € monatlich (Krankenversicherung 460,40 € und Pflegeversicherung 61,07 €) nach monatlichen Einnahmen in Höhe von 3.132,00 € unter Zugrundelegung eines Beitragssatzes zur Krankenversicherung von 14,7 % und zur Pflegeversicherung von 1,95 % fest.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 2. März 2008 und machte geltend, bei der Abfindung...

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