Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 1301. arbeitstechnische Voraussetzung. krebserzeugender Arbeitsstoff Gefahrkategorie 2- aromatische Amine. unbekannte Höhe der Exposition. haftungsbegründende Kausalität. Nachweis der Kanzerogenität. kein Nachweis außerberuflicher Noxe. Synkanzerogenese: Exposition gegenüber anderen beruflichen Noxen. Harnblasenkrebs. Chemiefachwerker

 

Orientierungssatz

Zur bejahenden Anerkennung einer Harnblasenkrebserkrankung durch Exposition ua gegenüber einem krebserzeugenden Arbeitsstoff der Gefahrstoffkategorie 2 (p-Chloranilin) nach Abschnitt III der MAK-Werteliste der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der DFG 2009 (erwiesene karzinogene Wirkung gegenüber Tieren) als Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 1301.

Ist im Ergebnis die Einwirkung der genannten aromatischen Amine als gesichert anzusehen, die Höhe der Exposition jedoch weitgehend unbekannt, steht dies einer Berücksichtigung der Exposition gegenüber den genannten aromatischen Aminen im Rahmen des Ursachenzusammenhanges jedoch nicht entgegen. In Kenntnis der Beweisschwierigkeiten wird von der unfallrechtlichen Literatur daher auch kein Alles-oder-Nichts-Prinzip gefordert, sondern eine Berücksichtigung des quantitativen Nachweises des krebserzeugenden Gefahrstoffes nur, sofern dieser möglich ist.

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 14. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. August 2008 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Feststellung seiner Harnblasenkrebs-Erkrankung als BK nach der Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV ab Juli 2006 bis Juni 2008 Verletztenrente nach einer MdE von 50 v.H. und ab Juli 2008 bis Juni 2011 einschließlich nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung und Entschädigung einer Harnblasenkrebserkrankung als Berufskrankheit (BK) Nr. 1301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV-Schleimhautveränderungen, Krebs oder anderen Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine).

Der 1951 geborene Kläger war ausschließlich bei der ehemaligen X AG am Standort C-Stadt als Chemiefachwerker beschäftigt. Im Einzelnen:

1967 - 1969

Berufsausbildung zum Chemiefachwerker (Werkschule) keine relevanten Expositionen gegenüber chemischen Arbeitsstoffen,

1969 - 1970

OXO - Betrieb, Pharma-Vorprodukt,

Chemiewerker,

1970 - 1971

Resocynbetrieb, Herstellung Gummi Inhaltsstoff,

Chemiewerker,

1971 - 1972

Wehrdienst als Sanitäter,

1973 - 1984

Angestellter in der Werksärztlichen Abteilung der X AG,

1984 - 1993

Isocyanatbetrieb (Betriebsmeister Herr S.),

Chemiewerker,

1993 - 1994

Reduktionsbetrieb,

Chemiewerker,

1995 -

Diketanbetrieb,

Chemiewerker.

Im Juni 2006 wurde bei dem Kläger ein tapilläres Urothelcarcinom der Harnblase entdeckt. In der Klinik für Urologie und Kinderurologie der Uni-Klinik C-Stadt erfolgte am 27. Juli 2006 eine Resektion des erkrankten Gewebes der Harnblase.

Am 2. August 2006 zeigte die Sozialarbeiterin der Uniklinik C-Stadt, Frau Z, unter Hinweis auf die Karzinomerkrankung des Klägers das mögliche Bestehen einer BK an. Bei einem anschließenden Anruf teilte der Kläger mit, er führe seine Erkrankung auf seine Tätigkeit in den 80-iger Jahren bei der X AG zurück, wo er im Isocyanatbetrieb, Gebäude C 472 (heute nicht mehr existent) in nicht unbeträchtlichen Umgang mit aromatischen Aminen und Chlorbenzol gehabt habe.

Die Beklagte holte sodann zunächst eine Stellungnahme ihres technischen Aufsichtsdienstes ein. In seiner Stellungnahme vom 18. Dezember 2006 kam Dr. W zu dem Ergebnis, dass der Kläger bei der Tätigkeit in der X AG gegenüber aromatischen Arminen, insbesondere Anilin, sowie gegenüber Benzol und Ranej-Nickel exponiert gewesen sei.

Ferner holte die Beklagte eine Stellungnahme des Landegewerbearztes ein. In seiner Stellungnahme vom 23. Januar 2007 kam für diesen der Facharzt für Arbeitsmedizin MJ. zu dem Ergebnis, aus gewerbeärztlicher Sicht sei eine BK Nr. 1301 anzuerkennen.

Auf Grund der Auswahlentscheidung des Klägers vom 2. Oktober 2006 gab die Beklagte mit Schreiben vom 29. Januar 2007 ein Gutachten bei dem Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg, Prof. Dr. med. D in Auftrag. In seinem wissenschaftlich begründeten arbeitsmedizinischen Fachgutachten vom 31. Mai 2007 kam Prof. Dr. D nach ambulanter Untersuchung vom 26. März 2007 zu dem Ergebnis, dass das operativ entfernte Harnblasenkarzinom bei Vorliegen der haftungsbegründenden Kausalität ursächlich auf die versicherte Tätigkeit des Klägers zurückzuführen sei.

Zur Abklärung der Expositionsverhältnisse beauftragte die Beklagte Ihren technischen Aufsichts- und Beratungsdienst (TAD). In seinen Berichten vom 30. August 2007 und 26. Oktober 2007 kam der Mitarbeiter des TAD, Dr. W, zu dem Ergebnis, dass der Kläger während seiner Tätigkeit als Che...

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