Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung des Arbeitslosengeld II. Meldeversäumnis. wichtiger Grund. Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Nachweis der Reise- bzw Meldeunfähigkeit im Einzelfall
Orientierungssatz
Die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reicht zwar grundsätzlich zum Nachweis eines wichtigen Grundes iS von § 32 Abs 1 S 2 SGB 2 für ein Meldeversäumnis aus. In begründeten Ausnahmefällen kann jedoch vom Leistungsberechtigten zusätzlich die Vorlage einer Reise- bzw Meldeunfähigkeitsbescheinigung verlangt werden. Dies kann der Fall sein, wenn über einen längeren Zeitraum mehrere Meldetermine unter Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen versäumt wurden und insoweit Zweifel an einer tatsächlichen Reiseunfähigkeit bestehen.
Tenor
1. |
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Die Klage wird abgewiesen. |
2. |
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Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der Eintritt einer Sanktion im Rahmen des SGB II streitig.
Der 1965 geborene Kläger steht im Leistungsbezug nach dem SGB II bei dem Beklagten. Der Beklagte hatte den Kläger dabei am 11.12.2012 zu einer persönlichen Vorsprache eingeladen. Diesen Termin nahm der Kläger nicht wahr und legte über seinen Prozessbevollmächtigten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab 10.12.2012 bis 22.12.2012 vor. In der Folge legte er weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durchgehend bis 14.1.2013 und nach einer erneuten Einladung zu einem Gesprächstermin am 17.1.2013 weiter bis 25.1.2013.
Mit Schreiben vom 17.1.2013 lud der Beklagte den Kläger dann nochmals zu einem persönlichen Beratungsgespräch am 24.1.2013 ein mit dem Ziel, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. In dem Schreiben führte der Beklagte an, dass bei unentschuldigtem Fernbleiben von dem Termin eine Minderung in Höhe von 10 % des Regelbedarfs eintrete. Die Einladung wirke auf den ersten Tag der Arbeitsfähigkeit fort, sofern der Kläger zu dem genannten Termin arbeitsunfähig erkrankt sei. Es werde auch darauf hingewiesen, dass eine bescheinigte Arbeitsunfähigkeit lediglich eine berufliche Tätigkeit ausschließe und keine Aussage darüber treffe, ob ein Meldetermin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrgenommen werden könne. Der Kläger sei deshalb aufgefordert, gegebenenfalls eine Reiseunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, da andernfalls das Nichterscheinen als unentschuldigtes Fernbleiben gewertet werde.
Der Prozessbevollmächtigte teilte daraufhin in einem Schreiben vom 31.1.2013 mit, dass der Kläger bis 25.1.2013 krankgeschrieben sei und er deshalb um Terminsstreichung und Mitteilung eines neuen Termins bitte. Er legte zudem weiter durchgehende Krankschreibungen des Klägers bis 22.3.2013 vor.
Mit Schreiben vom 8.2.2013 hörte der Beklagte den Kläger zu einem möglichen Meldeverstoß wegen des Nichterscheinens zum Termin am 24.1.2013 an. Der Prozessbevollmächtigte verwies bei seiner Stellungnahme darauf, dass der Kläger krankgeschrieben gewesen sei und dies dem Beklagten auch bekannt gegeben habe.
Mit Bescheid vom 20.2.2013 minderte der Beklagte sodann das Arbeitslosengeld II des Klägers für die Zeit vom 1.3.2013 bis 31.5.2013 um monatlich 38,20 € (10 %). Zur Begründung führte der Beklagte an, dass der Kläger ohne anzuerkennenden Grund der Aufforderung zur Meldung am 24.1.2013 nicht nachgekommen sei.
Gegen den Bescheid legte der Prozessbevollmächtigte am 25.2.2013 Widerspruch ein, welchen der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5.6.2013 zurückwies. Der Kläger sei zu dem Termin am 24.1.2013 unstreitig nicht erschienen, obwohl er zuvor über die Rechtsfolgen informiert worden sei. Einen wichtigen Grund für sein Fehlverhalten habe der Kläger dabei nicht nachgewiesen, wobei die vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht geeignet seien, das Terminversäumnis zu entschuldigen. Die Meldepflicht erlösche nicht ohne weiteres bei Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Im Falle des Klägers sei es gerechtfertigt gewesen, die Vorlage einer Reiseunfähigkeitsbescheinigung zu verlangen, da begründete Anhaltspunkte vorlägen, dass die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit nicht gleichzeitig die Unfähigkeit zur Wahrnehmung eines Meldetermins begründe. Bereits vor dem Meldeverstoß am 24.1.2013 habe der Kläger zwei Termine bei dem Beklagten unter Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht wahrgenommen. Das Verhalten des Klägers verhindere faktisch eine zweckgerichtete Unterstützung durch den Beklagten, da weder das Ziel der Eingliederung in Arbeit erreicht werden, noch festgestellt werden könne, ob der Kläger möglicherweise erwerbsunfähig sei und damit in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Leistungsträgers falle. Der Eintritt einer Sanktion in Höhe von 10 % sei deshalb rechtmäßig.
Hiergegen richtet sich die am 13.6.2013 zum Sozialgericht Frankfurt erhobene Klage. Zur Begründung ließ der Kläger vortragen, dass er bereits in frühester Kindheit schwer traumatisiert worden sei und dies dazu geführt habe, dass es ihm in Situationen, in denen er nicht mehr in erster Linie als Mensch...