Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. Rollstuhlfahrer. Brems- und Schiebehilfe. mittelbarer Behinderungsausgleich. gesundheitliche Einschränkungen der Hilfsperson
Orientierungssatz
Versicherte, die aufgrund einer Krankheit oder Behinderung die Fähigkeit zum selbständigen Gehen verloren oder nicht erlernt haben, können zur Erhaltung ihrer Mobilität eine Brems- und Schiebehilfe als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung beanspruchen, soweit ein Rollstuhl alleine für ihre Fortbewegung nicht ausreicht. Die Brems- und Schiebehilfe kompensiert die ausgefallene Funktion nur teilweise, und zwar nur in Verbindung mit einer dritten Person; es handelt sich um einen Fall des mittelbaren Behinderungsausgleichs. Ist diese Hilfsperson körperlich nicht in der Lage, den Versicherten über eine relevante Strecke zu schieben, so ist durch die gesetzliche Krankenversicherung eine Schiebe- und Bremshilfe zur Verfügung zu stellen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einer elektrischen Schiebe- und Bremshilfe nebst Zubehör für ihren Aktivrollstuhl.
Die 2006 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Bei ihr besteht ein Rett-Syndrom mit schwerer tiefgreifender Entwicklungsstörung. Sie kann weder gehen, stehen noch sitzen. Eine Fortbewegung, eine Halte- und Greiffähigkeit, eine Sprachfähigkeit und ein altersentsprechendes Spielverhalten sind nicht gegeben. Das Rett-Syndrom manifestiert sich ausschließlich beim weiblichen Geschlecht in Form einer Stagnation der Entwicklung vom 9. bis 18. Monat an. Anschließend werden die charakteristischen Ausfälle deutlich in Form zunehmender mentaler Retardierung, Auftreten autistischer Züge, Handstereotypien, Rumpftremor, Ataxie, Paraspastik, Skoliose, Mikrozephalie und Epilepsie. In der Regel kommt es nicht zu einem völligen Verlust erworbener Fähigkeiten, sondern es wird als ein Modell der arretierten Entwicklung angesehen. Die Klägerin erhält jeweils einmal wöchentlich physikalische, ergotherapeutische und logopädische Behandlungen. Sie ist als schwerbehinderter Mensch im Sinne des Schwerbehindertenrechts mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 und den Merkzeichen “B„, “G„, “aG„ und “H„ anerkannt und bezieht von der Pflegekasse seit Juli 2008 Leistungen nach der Pflegestufe II beziehungsweise seit November 2010 nach der Pflegestufe III. Nach dem Besuch eines integrativen Kindergartens besucht sie seit 2012 eine Schule für geistig behinderte Kinder und Jugendliche mit einer Abteilung für körperbehinderte praktisch Bildbare. Von der Beklagten ist die Klägerin mit einem - manuell zu bewegenden - mechanischen Kinderaktivrollstuhl und einer Sitzschale versorgt worden.
Am 28. Februar 2012 verordnete Prof. Dr. NO., Neuropädiatrie mit Sozialpädiatrischem Zentrum des Klinikums ZP., eine elektrische Schiebe- und Bremshilfe V-Max (Hilfsmittelverzeichnis - HMV - 18.99.04.1010) nach Erprobung. Entsprechend einem Kostenvoranschlag der Firma vom 14. März 2012 betragen die Kosten hierfür 2.852,55 €, zuzüglich Zubehör (Rollstuhlhalterung, Räder mit Zahnkranz und Trommelbremsen und Kippstützen) insgesamt 3.431,13 €.
Die Beklagte lehnte die am 15. März 2012 beantragte Kostenübernahme mit förmlichem Bescheid vom 22. März 2012 mit der Begründung ab, eine Mobilität der Klägerin im näheren Umfeld sei mittels eines Rollstuhls und mit Hilfe der Pflegeperson gegeben.
Dagegen legte die Klägerin am 20. April 2012 Widerspruch ein. Die Schiebehilfe werde benötigt, um die Klägerin u.a. zur Schule, zur Ergotherapie und zur Reittherapie zu bringen sowie für Spaziergänge. Die Eltern der Klägerin machten geltend, es sei ihnen beiden aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich, ihre Tochter im Sitzschalenrollstuhl (40 kg) bei einem Gesamtgewicht von 60 kg in dem bergigen Gelände ihrer Wohngegend zu schieben. Der Vater der Klägerin habe im Dezember 2011 einen Herzinfarkt mit nachfolgender Bypass-Operation erlitten. [Das Hessische Amt für Versorgung und Soziales MB stellte mit Bescheid vom 14. Mai 2012 und 15. November 2012 bei ihm den GdB mit 50 fest wegen der Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen 1. Koronare Herzkrankheit, Bluthochdruck; 2. Seelische Störungen; 3. Funktionsstörung der Wirbelsäule mit Ausstrahlungen; 4. Beinfunktionsstörungen rechts.] Nach einem vorgelegten ärztlichen Attest des Facharztes für Orthopädie Dr. J vom 25. Juni 2012 bestehen bei der Mutter der Klägerin eine chronisch rezidivierende Lumboischialgie, eine starke Spondylarthrose mit Bandscheibendegeneration, eine Skoliose, eine muskuläre Dysfunktion und eine Kiefergelenksdysfunktion.
In einer von der Beklagten eingeholten Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) DM vom 4. Juli 2012 gelangte die ärztliche Gutachterin Dr. P nach Aktenlage zu der Beurteilung, dass das Hilfsmittel medizinisch nicht notwendig sei. Hierzu wird ohne Begründung angeführt, die Mutter der Klägerin könne den Rollstuhl auf ebener St...