Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenversicherung: Erfüllung der Anwartschaftszeit als Leistungsvoraussetzung. Anforderung an die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses innerhalb der Rahmenfrist bei Nichterfüllung der vertraglichen Leistungspflicht. Rücknahme einer Bewilligungsentscheidung
Orientierungssatz
1. Wird in der zweijährigen Rahmenfrist zur Erfüllung der Anwartschaftszeit im Rahmen der Arbeitslosenversicherung ein arbeitsvertraglich vereinbartes Beschäftigungsverhältnis tatsächlich nicht ausgeübt (hier: keine regelmäßige Anwesenheit am Arbeitsplatz und fehlende Arbeitsleistung), ist nicht vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses auszugehen, so dass ein Anspruch auf Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung nicht begründet wird.
2. Legt ein Arbeitsloser einem Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld eine Arbeitsbescheinigung über Beschäftigungszeiten bei, obwohl er in dieser Zeit entgegen der Bescheinigung die Beschäftigung tatsächlich nicht vertragsgemäß ausgeübt hat, stellt dies eine mindestens grob fahrlässiges unrichtige Angabe dar, die nachträglich zur Aufhebung der Leistungsbewilligung berechtigt.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Rücknahme- und Erstattungsentscheidung der Beklagten.
Der 1950 geborene Kläger türkischer Staatsangehörigkeit meldete sich am 22.06.2010 bei der Agentur für Arbeit C-Stadt arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg). Er legte eine von der Firma C. GmbH, C-Stadt, (nachfolgend Fa. C. GmbH) ausgestellte Arbeitsbescheinigung vom 03.08.2010 vor, wonach er dort vom 01.03.2008 bis zum 31.05.2010 als Einkäufer und Berater in Finanzen und Verwaltung in Vollzeit mit 40 Wochenstunden zu einem monatlichen Arbeitsentgelt von 3.900,00 Euro beschäftigt gewesen sei. Vom 05.04.2010 bis zum 15.06.2010 hatte er von der DAK Unternehmen Leben Krankengeld bezogen. Das Beschäftigungsverhältnis bei der Fa. C. GmbH war vom Jobcenter C-Stadt mit einem Eingliederungszuschuss in Höhe von 70% der Aufwendungen gefördert worden.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 05.08.2010 Alg in Höhe von 45,22 Euro täglich für 360 Tage ab 22.06.2010, unterbrochen durch eine Sperrzeit bei Meldeversäumnis von einer Woche vom 14. bis 20.07.2010. Der Leistungsbezug wurde erneut unterbrochen wegen einer genehmigten Ortsabwesenheit ohne Leistungsbezug vom 04. bis 24.10.2010, in deren Anschluss dem Kläger mit Bescheid vom 13.12.2010 Alg weiterbewilligt wurde ab dem 25.10.2010. Mit Wirkung zum 07.07.2011 wurde die Bewilligung von Alg wegen Aufnahme einer Beschäftigung aufgehoben.
Mit Schreiben vom 28.03.2012 informierte das Hauptzollamt C-Stadt die Beklagte über ein gegen den Kläger eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Leistungsbetrug, weil sich aufgrund von Ermittlungen und sichergestellten Unterlagen u. a. der Verdacht ergeben habe, dass der Kläger nicht unter der von ihm angegebenen Anschrift in C-Stadt gewohnt und daher der Arbeitsvermittlung während des Bezugs von Alg nicht zur Verfügung gestanden habe. Nach Auswertung der vom Hauptzollamt zur Verfügung gestellten Unterlagen hörte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 12.04.2012 zu einer beabsichtigten Rücknahme der Bewilligung von Alg an und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Außerdem bat sie um Übersendung von Kopien der Kontoauszüge, aus denen sich die Überweisung des Gehaltes der Firma C. GmbH auf sein Konto entnehmen lasse. Da die Auswertung der Unterlagen des Hauptzollamtes ergeben hatte, dass die von der Fa. C. GmbH veranlassten Überweisungen jeweils deutlich niedriger waren als das zu errechnende Nettogehalt, wurde mit Schreiben vom 02.05.2012 auch die Fa. C. GmbH um einen Nachweis der Gehaltszahlungen gebeten. Diese beantwortete die Anfrage mit Schreiben vom 16.05.2012 dahingehend, dass der Kläger im fraglichen Zeitpunkt dort in Vollzeit beschäftigt gewesen und sein Gehalt in voller Höhe erhalten habe. Hierbei seien auf Wunsch des Klägers hinsichtlich seiner schlechten finanziellen Lage Teilzahlungen vor dem Monatsende getätigt worden.
Nachdem eine Terminvereinbarung zur Akteneinsicht durch den Bevollmächtigten des Klägers in die Leistungsakten nicht zustande gekommen war, wurde diesem mit Schreiben vom 04.05.2012 die Möglichkeit der Einsichtnahme in der Woche vom 07. bis 11.05.2012 eingeräumt und es wurden ihm gleichzeitig Kopien der vollständigen Leistungsakte übersandt.
Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 08.05.2012, abgesandt am 09.05.2012 per Einschreiben sowohl an den Kläger als auch an seinen Bevollmächtigten, nahm die Beklagte die mit Bescheid vom 05.08.2010 vorgenommene Bewilligung von Alg ab 22.06.2010 sowie die mit Bescheid vom 13.12.2010 vorgenommene Bewilligung ab 25.10.2010 zurück und forderte vom Kläger die Erstattung des in der Zeit vom 22.06.2010 bis zum 06.07.2011 gezahlten Alg in Höhe von 16.053,10 Euro sowie der hierau...