Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe als Darlehen nach dem BSHG und SGB 12. Überleitungsanspruch gem § 93 Abs 1 SGB 12. Rechtmäßigkeit der Überleitungsanzeige. Darlehensrückforderung. keine doppelte Inanspruchnahme. keine Anspruchsüberleitung wegen Darlehenszinsen. sozialgerichtliches Verfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Rechtmäßigkeit einer Überleitungsanzeige nach § 93 SGB 12 ist nicht Voraussetzung, dass die ursprüngliche Leistungsbewilligung, deretwegen Ansprüche des Leistungsempfängers gegen Dritte übergeleitet werden, rechtmäßig war.
2. Sie ist auch dann noch möglich, wenn die ursprüngliche Leistungsbewilligung widerrufen ist, solange der Erstattungsanspruch noch nicht erfüllt wurde.
3. Eine Überleitung von Ansprüchen des Leistungsempfängers gegen Dritte kann auch wegen darlehensweise erbrachter Sozialhilfeleistungen erfolgen.
4. Sie ist auch dann noch möglich, wenn die Darlehenssumme gegenüber dem Leistungsempfänger bereits bestandskräftig zurückgefordert wurde, solange dieser Rückforderungsanspruch noch nicht erfüllt wurde.
Orientierungssatz
1. Regelungen zur Rückabwicklung zu Unrecht gewährter Leistungen gem §§ 45, 50 SGB 10 und die Überleitungsvorschriften (hier: § 93 SGB 12) bestehen unabhängig von- und parallel zueinander. Der Hilfebedürftige muss lediglich die Möglichkeit haben, eine doppelte Inanspruchnahme zu verhindern (vgl BVerwG vom 4.6.1992 - 5 C 57/88 = NJW 1992, 3313).
2. Die Überleitung von Ansprüchen des Hilfebedürftigen wegen Zinsen auf darlehensweise erbrachte Sozialhilfeleistungen ist von § 93 SGB 12 nicht gedeckt. Diese Norm erlaubt nur die Überleitung bis zur Höhe der Aufwendungen des Sozialhilfeträgers. Hierzu gehören nicht die Zinsen.
3. Wendet sich der Hilfebedürftige gegen die Überleitung eines Anspruchs (hier: nach § 93 SGB 12), so ist er in seiner Eigenschaft als (früherer) Leistungsempfänger analog einem Kläger gem § 193 SGG an dem Verfahren beteiligt und nach § 183 S 1 SGG privilegiert.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 16.6.2008 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2.4.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.5.2008 wird insoweit angeordnet, als darin ein Betrag von mehr als 28.470,54 Euro übergeleitet wird.
Im Übrigen werden die Anträge abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller ein Zwanzigstel seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach zu erstatten.
Gründe
I. 1.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes darum, ob die Antragsgegnerin berechtigt ist, vom Antragsteller einen Betrag von 7799,40 Euro zuzüglich Zinsen zu verlangen und einen Anspruch des Antragstellers gegen die Miterbin und die weiteren Miterben der Erbengemeinschaft nach der am 27.4.1970 verstorbenen Frau E. B., bestehend aus dem Antragsteller, Herrn Th. S., Herrn P. S., Herrn Wo. S. und Frau Wa. S. (respektive deren Rechtsnachfolgerinnen oder Rechtsnachfolgern) auf Auszahlung eines bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts D. hinterlegten Geldbetrages auf sich überzuleiten.
Der Antragsteller bezog bereits in den 1990er Jahren Sozialhilfeleistungen von der Antragsgegnerin. In der Zeit ab dem 1.1.2000 beruhte die Hilfegewährung auf dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 11.7.2000. Mit diesem Bescheid, teilweise in der Fassung abändernder Folgebescheide, gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller in der Zeit ab 1.1.2000 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz als Darlehen, weil er einen Anspruch auf Herausgabe eines Teils des beim Amtsgericht D. hinterlegten Erlöses einer Teilungsversteigerung habe.
Diesen Anspruch leitete die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 12.1.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.3.2000 auf sich über. Während des dagegen vom Antragsteller angestrengten Klageverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Freiburg (Az. 4 K 1040/00) nahm die Antragsgegnerin die Überleitung zurück, woraufhin der Antragsteller die dortige Klage für erledigt erklärte. Mit Beschluss vom 6.6.2002 stellte das Verwaltungsgericht Freiburg das Verfahren ein und erlegte der Antragsgegnerin die Kosten auf. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, der im dortigen Verfahren angegriffen gewesene Überleitungsbescheid sei wohl wegen fehlender Bestimmtheit rechtswidrig gewesen, nachdem weder der übergeleitete Anspruch genauer bezeichnet noch der Drittschuldner aufgeführt gewesen sei. Zudem bestünden erhebliche Zweifel daran, ob die Überleitung wirksam gegenüber dem Drittschuldner, also den Miterben, angezeigt worden sei.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 13.7.2000 forderte die Antragsgegnerin vom Antragsteller die in der Zeit vom 1.1.1996 bis zum 31.12.1999 zu Unrecht erbrachten Sozialhilfeleistungen in Höhe von 28 341,58 DM (= 14 490,82 Euro) zurück. Mit nach Klagerücknahme hiergegen ebenfalls bestandskräftigem Bescheid vom 23.7.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2002 forderte die Antragsgegnerin vom Antragsteller erbrachte Sozialhilfeleistungen für die Zeit vom 1.1.2000 bis zum ...