Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. vorläufige Leistungsbewilligung. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. Nichtabsetzung des Erwerbstätigenfreibetrags. Ermessensfehlgebrauch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Frage, ob und ggf in welcher Höhe der Absetzbetrag des § 11b Abs 1 S 1 Nr 6 SGB II im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung nicht berücksichtigt wird, ist stets eine einzelfallbezogene Ermessensausübung des Leistungsträgers erforderlich.

2. Der Hinweis auf die Gesetzesbegründung, wonach die Freibeträge des § 11b Abs 1 S 1 Nr 6 SGB II lediglich einen Anreiz zur Erwerbsaufnahme geben sollen und daher zur Bedarfsdeckung nicht erforderlich sind, genügt für sich genommen nicht, um ermessensfehlerfrei die fehlende Berücksichtigung des Absetzbetrages des § 11b Abs 1 S 1 Nr 6 SGB II im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung zu begründen.

 

Tenor

1. Der Antragsgegner wird unter Abänderung des Bescheides vom 11.10.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2016 in der Fassung des Bescheides vom 26.11.2016 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 17.11.2016 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dem unter dem Aktenzeichen S 19 AS 4528/16 anhängigen Klageverfahren, längstens aber bis zum 30.04.2016, vorläufig Leistungen nach dem SGB II in Höhe von weiteren 83,95 € monatlich zu erbringen.

2. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers dem Grunde nach.

3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller beanstandet im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die fehlende Berücksichtigung der Absetzbeträge des § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung für den Zeitraum 01.11.2016 bis 30.04.2017.

Der Antragsteller steht seit geraumer Zeit (aufstockend) im Bezug von laufenden Leistungen nach dem SGB II beim Antragsgegner. Neben den Leistungen nach dem SGB II bezieht der Antragsteller Einkommen aus zwei verschiedenen geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen. So arbeitet der Antragsteller zum Einen bei der Firma “S. K. H.„. Ausweislich der vorliegenden Verwaltungsakte erhielt der Antragsteller für diese Tätigkeit bis einschließlich Februar 2016 ein gleichbleibendes monatliches Gehalt von 149,50 €, ab März 2016 auf Grund einer betriebsbedingten Reduzierung seiner Arbeitszeit ein gleichbleibendes Gehalt von 99,00 € monatlich. Die zum 01.03.2016 in Kraft getretene Reduzierung seines Gehaltes zeigte der Antragsteller dem Antragsgegner mit Schreiben am 09.02.2016 an. Zum Anderen erhält der Antragsteller für eine weitere geringfügige Beschäftigung als Hausmeister beim E. O. in F. eine tarifliche Vergütung, die sich im Zeitraum Oktober 2013 bis heute schrittweise von monatlich 391,84 € netto auf nunmehr monatlich 420,77 € netto erhöht hat.

Auf den Weiterbewilligungsantrag des Antragstellers vom 28.09.2016 bewilligte der Antragsgegner durch Bescheid vom 11.10.2016 für den Zeitraum 01.11.2016 bis 30.04.2017 vorläufige Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 255,10 € für den Monat November 2016 sowie in Höhe von 340,17 € für die weiteren Monate. Die geringere Leistungsbewilligung im November 2016 begründete der Antragsgegner mit der Anrechnung einer Nebenkostengutschrift in entsprechender Höhe. Der Bescheid enthielt auszugsweise die folgende Begründung:

“Die Entscheidung über die vorläufige Bewilligung beruht auf § 40 Absatz 2 Nummer 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Absatz 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III.

Die Entscheidung über die vorläufige Bewilligung beruht auf § 41a Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II.

Sie erzielen laufende Einnahmen, die monatlich in unterschiedlicher Höhe zufließen…

Wie sich die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II im Einzelnen zusammensetzen, können Sie dem beigefügten Berechnungsbogen entnehmen.„

Aus diesem Berechnungsbogen ist ersichtlich, dass der Antragsgegner bei der Leistungsberechnung im gesamten Bewilligungszeitraum ein Einkommen des Antragstellers in Höhe von monatlich jeweils 519,77 € netto (420,77 € + 99,00 €) berücksichtigt. Von diesem Einkommen wird ein “individueller Freibetrag„ in Höhe von jeweils 100,00 € monatlich in Abzug gebracht. Weitere Freibeträge werden nicht berücksichtigt, so dass auf den Gesamtbedarf des Antragstellers ein zu berücksichtigendes Gesamteinkommen in Höhe von 419,77 € monatlich in Abzug gebracht wird.

Mit Schreiben vom 20.10.2016, eingegangen beim Antragsgegner am 27.10.2016, erhob der Antragsteller gegen die vorläufige Leistungsbewilligung durch Bescheid vom 11.10.2016 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, das zu berücksichtigende Einkommen sei aus seiner Sicht nicht richtig berechnet worden, da lediglich der Grundfreibetrag, nicht aber die sonstigen Freibeträge berücksichtigt worden seien. Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.11.2016 machte der Antragsteller zur weiteren Widerspruchsbegründung geltend, durch die fehlerhafte Berechnung monatli...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?