Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. freie Verpflegung bei stationärer Unterbringung. keine Einkommensberücksichtigung bzw Kürzung der Regelleistung
Leitsatz (amtlich)
Eine Kürzung der Regelleistung während stationärer Aufenthalte ist nicht zulässig. Insbesondere fehlt es sowohl für eine Absenkung wegen teilweiser anderweitiger Bedarfsdeckung als auch für eine Berücksichtigung der dort gewährten freien Verpflegung als Einkommen an einer rechtlichen Grundlage.
Tenor
1. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 01.07.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 06.03.2006 wird aufgehoben.
2. Die Änderungsbescheide der Beklagten vom 01.07.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 06.03.2006 werden abgeändert.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Monate April bis Juni 2005 unter Berücksichtigung der der Klägerin zustehenden Regelleistung gem. § 20 SGB II in voller Höhe zu gewähren.
4. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
5. Die Berufung wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheids.
Die Klägerin, geb. am ..., ist die alleinerziehende Mutter des am ... geborenen Klägers. Beide beziehen in Bedarfsgemeinschaft seit 1.1.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) von der Beklagten, im hier maßgeblichen Zeitraum zunächst aufgrund des Bewilligungsbescheides der Bundesagentur für Arbeit vom 6.11.2004 für die Zeit vom 1.1.2005 bis zum 31.5.2005. Im Juni 2005 wurde der Beklagten aufgrund einer Mitteilung der Klägerin sowie anschließender Nachfrage bei ihrer Krankenkasse bekannt, dass sich die Klägerin im Zusammenhang mit einer Bandscheibenerkrankung vom 4.4.2005 bis zum 25.4.2005 einer stationären Rehabilitationsbehandlung unterzogen hatte, anschließend vom 9.5.2005 bis zum 17.5.2005 stationär im Krankenhaus war und schließlich vom 17.5.2005 bis 11.6.2005 an einer stationären Anschlussheilbehandlung teilnahm. Mit Änderungsbescheiden vom 1.7.2005 bewilligte die Beklagte die den Klägern zustehenden Leistungen für die Zeit vom 1.1.2005 bis zum 30.11.2005 und nahm dabei für die Monate April bis Juni 2005 eine Kürzung der Regelleistung für die Klägerin um 35% für die Zeiten des stationären Aufenthalts (unter Ausschluss der Aufnahme- und Entlassungstage) vor. Die sich danach errechnende Überzahlung in Höhe von 209,73 € wurde zurückgefordert. Mit weiterem Bescheid vom 1.7.2005 ("Aufhebungs- und Erstattungsbescheid") wurde die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen mit Wirkung vom 5.4.2005 an in entsprechender Höhe teilweise aufgehoben und die Erstattung des Überzahlungsbetrages geltend gemacht.
Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin mit Schreiben vom 22.7.2005 Widerspruch. Sie vertrat die Auffassung, es fehle an einer rechtlichen Grundlage für die Kürzung der Regelleistung. Es sei auch zu berücksichtigen, dass während ihrer stationären Aufenthalte zwar nicht sie selbst im Haushalt gelebt, aber eine Familienpflegerin den Sohn versorgt und auf Kosten der Klägerin mit dem Sohn gemeinsam gegessen habe. Sie habe daher auch während ihrer krankheitsbedingten Abwesenheit für die Kosten von zwei Personen im Haushalt aufkommen müssen. Sie legte eine Bescheinigung des Kreisverbandes X des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) vom 6.7.2005 vor, in der die gemeinsame Einnahme der Mahlzeiten von Familienpflegerin und Kind bestätigt und dies als aus pädagogischer Sicht unumgänglich bezeichnet wurde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6.3.2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, in der Regelleistung seien ca. 35% als Bedarf für Nahrung und Getränke veranschlagt. Dieser Bedarf sei für die Klägerin in der Zeit ihrer stationären Unterbringung nicht angefallen. Die Familienpflegerin sei keine Leistungsempfängerin nach dem SGB II. Der auf die Klägerin bezogene Verpflegungsanteil der Regelleistung könne nicht auf diese Person übertragen werden.
Dagegen erhoben die Kläger am 31.3.2006 Klage zum Sozialgericht Freiburg.
Die Kläger wiederholen und vertiefen zum einen das Vorbringen aus dem Widerspruchs-verfahren. Sie tragen weiter vor, tatsächlich sei aufgrund der Besuche des Klägers in den Kliniken bei der Klägerin ein höherer Bedarf entstanden, der auch nicht zu Gunsten der Kläger berücksichtigt werde. Die rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung sei schließlich deshalb nicht zulässig, da die Klägerin nicht habe wissen können, dass die Beklagte stationäre Aufenthalte für leistungsrelevant und damit mitteilungspflichtig hält.
Die Klägerin beantragt,
den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 1.7.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 6.3.2006 aufzuheben und die Änderungsbescheide der Beklagten vom 1.7.2005 in der Fassung des Widerspruchs...