Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherungspflicht für Kontingentflüchtlinge. Geltung der Niederlassungserlaubnis. Empfänger laufender Leistungen nach dem SGB XII
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 26.06.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.08.2007 wird abgeändert.
Es wird festgestellt, dass bei der Klägerin ab dem 06.06.2007 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht.
Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand
Die 1930 geborene Klägerin ist weißrussische Staatsbürgerin und erhielt von der Deutschen Botschaft in Minsk am 25.05.2007 ein bis 22.08.2007 gültiges Visum für Deutschland und die Schengener Staaten zwecks Aufnahme in Deutschland nach § 23 AufenthG als sogenannter Kontingentflüchtling. Laut klägerischem Vortrag handelte es sich um ein Visum, dessen Erteilung sich nach § 6 Abs. 4 S. 2 AufenthG nach den für die Aufenthaltserlaubnis, die Niederlassungserlaubnis und die Daueraufenthalt-EG-Erlaubnis geltenden Vorschriften richtete. Mit diesem Visum kam sie am 30.05.2007 nach Deutschland und wurde mit Bescheid des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vom 31.05.2007 in der Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in K. untergebracht (Gestattung für 6 Monate). Sie erhielt am 06.06.2007 eine unbefristete Niederlassungserlaubnis nach § 23 Abs. 2 AufenthG.
Mit Bescheid vom 18.06.2007 bewilligte das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald auf den am 05.06.2007 gestellten Antrag der Klägerin rückwirkend ab 01.06.2007 Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII.
Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 26.06.2007 und Widerspruchsbescheid vom 16.08.2007 ab, Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V festzustellen. Sie hob darauf ab, dass die Mitgliedschaft von Nicht-EU-Ausländern nach § 186 Abs. 11 S. 2 SGB V erst mit dem ersten Tag der Geltung der Niederlassungserlaubnis beginne - bei der Klägerin sei dieser “erste Tag„ der 06.06.2007. Da sie zu diesem Zeitpunkt schon rückwirkend laufende Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII empfangen habe, könne sie gemäß § 5 Abs. 8 a Satz 2 i.V.m. Satz 1 SGB V nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V versicherungspflichtig geworden sein.
Die Klägerin hat am 29.08.2007 Klage erhoben und macht geltend, nach § 6 Abs. 4 S. 3 AufenthG werde die Dauer ihres rechtmäßigen Aufenthalts mit einem nationalen Visum - ab dem 30.05.2007 - auf die Zeiten des Besitzes einer Niederlassungserlaubnis angerechnet. Der erste Tag der Geltung der Niederlassungserlaubnis sei ausländerrechtlich deshalb nicht das zufällige Datum, an dem die Niederlassungserlaubnis abgeholt und ausgestellt worden sei (06.06.2007), sondern der Tag der Einreise mit gültigem Visum - der 30.05.2007 -. An diesem Tag habe sie sich in Deutschland befunden, ohne im Sozialhilfebezug zu stehen und ohne zuvor jemals gesetzlich krankenversichert gewesen zu sein. Genau für diesen Fall sehe § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V den Eintritt der Krankenversicherungspflicht vor. Die Klägerin hat dazu eine Bescheinigung der Ausländerbehörde der Stadt Freiburg vorgelegt.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin noch geltend gemacht, die auf sie anwendbare Vorschrift des § 5 Abs. 11 SGB V sei lex specialis gegenüber § 5 Abs. 8 a SGB V. Sogenannte Kontingentflüchtlinge sollten stets in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen werden, wobei die Frage des Sozialhilfebezugs keine Rolle spielen könne, denn Kontingentflüchtlinge bezögen regelmäßig Sozialhilfe, womit für § 5 Abs. 11 SGB V praktisch kein Anwendungsbereich übrig bliebe, wenn man die Norm nicht als Spezialnorm zu § 5 Abs. 8a betrachte. Im Hinblick auf § 3 Nr:2 SGB IV sei bei ihr jedenfalls ab dem 31.05.2007, dem Tag ihrer Aufenthaltsnahme im Flüchtlingswohnheim in K., Versicherungspflicht festzustellen.
Die Klägerin beantragt:
Der Bescheid der Beklagten vom 26.06.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.08.2007 wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass bei der Klägerin ab dem 31.05.2007 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat daran festgehalten, dass in § 186 Abs. 11 S. 2 SGB V eindeutig auf den ersten Tag der Geltung der Niederlassungserlaubnis abgestellt werde und diese ausländerrechtlich klar definiert sei, und zwar in Abgrenzung zu den weiteren Begriffen der Aufenthaltserlaubnis und des Visums. Der maßgebende Zeitpunkt sei deshalb bei der Klägerin der 06.06.2007, und da sei sie schon Empfängerin laufender Sozialleistungen gewesen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und im wesentlichen begründet. Die Klägerin ist gemäß § 5 Abs. 11 S. 1 SGB V i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V am 06.06.2007 versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten geworden.
Die Klägerin ist im Sinne des § 5 Abs. 11 S....