Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Bestattungskosten. örtliche Zuständigkeit nach § 98 Abs 3 Alt 1 SGB 12 trotz Entfallens der laufenden Leistungspflicht wegen frühzeitigen Versterbens des Hilfebedürftigen. Bedarfszeitraum. Gesetzesauslegung. keine Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers des Sterbeortes nach § 98 Abs 3 Alt 2 SGB 12
Leitsatz (amtlich)
Eine Leistung von Sozialhilfe bis zum Tode iS von § 98 Abs 3 SGB 12 liegt auch dann vor, wenn aufgrund des frühzeitigen Versterbens des Hilfeempfängers im Sterbemonat der bisher regelmäßig gedeckte Bedarf des Hilfeempfängers allein durch dessen Versterben entfällt. Sinn und Zweck der Norm gebieten eine erweiternde Auslegung auch im Fall der Gewährung von Sozialhilfeleistungen nach dem Netto-Prinzip.
Orientierungssatz
1. Bei der Hilfe zum Lebensunterhalt ist als Bedarfszeitraum der jeweilige Kalendermonat anzusehen (vgl BVerwG vom 22.4.2004 - 5 C 68.03 = BVerwGE 120, 339 = FEVS 56, 485).
2. Eine Gesetzesauslegung gegen den ansonsten eindeutigen Wortlaut ist nicht ausgeschlossen, wenn der Zusammenhang der ihrem Wortlaut nach klaren Vorschrift mit anderen Vorschriften des Gesetzes ergibt, dass die Vorschrift nicht das aussagen will, was sie ihrem Wortlaut nach auszusagen scheint (vgl OVG Münster vom 13.8.2001 - 12 A 4097/99 = FEVS 53, 283).
3. Die Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers für Bestattungskosten gem § 74 SGB 12 iVm § 98 Abs 3 Alt 1 SGB 12 ist dann gegeben, wenn er bis zum Tod des Leistungsberechtigten laufend Sozialleistungen erbracht hat; die Zuständigkeit des Leistungsträgers am Sterbeort nach § 98 Abs 3 Alt 2 SGB 12 ergibt sich nur, wenn solche Leistungen einige Zeit vor dem Tod eingestellt wurden oder nur von Zeit zu Zeit einmalige Leistungen erbracht wurden oder der Verstorbene überhaupt keine Sozialleistungen in Anspruch genommen hatte (vgl OVG Münster aaO).
4. Die Voraussetzungen des § 98 Abs 3 Alt 1 SGB 12 sind auch erfüllt, wenn ein Hilfeempfänger kurze Zeit vor seinem Tode wegen des sich verschlechternden Gesundheitszustandes in ein Krankenhaus gebracht werden muss und die Kosten dort von einer Krankenkasse getragen werden, so dass für diese Zeit Sozialhilfeleistungen nicht zu gewähren waren und daher eingestellt wurden.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von dem Beklagten Kostenerstattung gemäß den § 102 SGB X iVm § 43 SGB I.
Der Kläger leistete bis 31.01.2005 Hilfe zur Pflege nach den Bestimmungen des SGB XII (Bl. 91 VA) für Herrn L, geb. 17.05.1928, zuletzt wohnhaft im Sozialzentrum der Arbeiterwohlfahrt in 36241 B-Stadt. Die Bewilligung der Hilfe erfolgte jeweils monatlich durch Begleichung der Rechnung. Ein mit Bescheid vom 25.01.2005 bewilligter Barbetrag wurde nicht an diesen ausgezahlt, sondern am Monatsende von dem einzusetzenden Einkommen des Herrn L abgesetzt. Herr L verstarb am 9.02.2005 im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Der gewöhnliche Aufenthalt des Herrn L lag vormals im Zuständigkeitsbereich des Klägers, er befand sich lediglich aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit im Sozialzentrum in B-Stadt.
Im Monat Februar 2005 erbrachte der Kläger keine Sozialhilfeleistungen mehr, da das Einkommen von Herrn L in Form von Renteneinkünften und den Leistungen der Pflegekasse zur Bestreitung der Heimpflegekosten bis zu seinem Todestag ausreichte. Der Kläger erhielt für diesen Monat keine Rechnung vom Pflegeheim, in dem sich Herr L bis zu seinem Tod befand.
Mit bei dem Beklagten eingegangenen Schreiben vom 10.02.2005 (Bl. 94 VA) beantragte die Tochter des Verstorbenen, Frau L, beim Kläger die Übernahme der Bestattungskosten. Den Antrag leitete der Kläger am 17.02.2005 (Bl. 97 VA) an den Beklagten weiter, da nach Ansicht des Klägers der Beklagte für die Übernahme der Bestattungskosten örtlich zuständig sei. Der Beklagte bestritt seine örtliche Zuständigkeit. Daraufhin erbrachte der Kläger mit Bescheid vom 27.04.2005 die bei ihm beantragten Bestattungskosten.
Mit Schreiben vom 3.02.2006 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 2.718,00 € geltend. Diesen lehnte der Beklagte am 8.03.2006 mit der Begründung ab, dass Herr L bis zu seinem Tode einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung gegen den Kläger gehabt hätte. Mit Schreiben vom 17.05.2006 forderte der Kläger den Beklagten erneut zur Zahlung auf. Mit Schreiben vom 7.06.2006 lehnte der Beklagte eine Erstattung der Kosten endgültig ab.
Der Kläger hat am 29.06.2006 Klage erhoben. Der Kläger bringt vor, er habe die Bestattungskosten vorläufig nach § 43 SGB I erbracht, da der Beklagte seine örtliche Zuständigkeit bestritten habe. Es komme ausschließlich auf die tatsächliche Gewährung von Sozialhilfe an und der verstorbene Herr L habe in der Zeit unmittelbar vor seinem Tod keine Leistungen durch den Kläger erhalten. Damit würde sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Sterbeort richten und damit die Zuständigkeit des Beklagten begründen. Auf die Frage warum keine Sozialhilfe geleistet wurde käme es dabei nicht an.
Der Kläger beantragt,
den Be...