Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung: Versorgung mit einem Elektrorollstuhl. Wirkungen der gesetzlichen Genehmigungsfiktion bei nicht fristgerechter Antragsbearbeitung. Zulässigkeit der Leistungsklage bei der Durchsetzung von Leistungsansprüchen auf Hilfsmittelversorgung nach Eintritt der Genehmigungsfiktion aufgrund Ablaufs der gesetzlichen Bearbeitungsfrist
Orientierungssatz
1. Tritt der Anspruch auf Übernahme der Kosten für ein Hilfsmittel im Rahmen der Versorgungsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung durch eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB 5 ein, so ist die Krankenkasse mit allen nachträglichen Einwendungen gegen die Leistungsübernahme ausgeschlossen, einschließlich des Einwandes der Doppelversorgung. Zudem kommt auch eine nachträgliche Prüfung der Erforderlichkeit der Leistung nicht in Betracht.
2. Trat nach einem Antrag auf Versorgung mit einem Hilfsmittel nach der Regelung in § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB 5 eine Genehmigungsfiktion ein, so kann der dadurch begründete Anspruch auf Leistung mit einer Leistungsklage geltend gemacht werden.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 17.04.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2014 verurteilt, den Kläger mit dem Elektrorollstuhl C 1000 DS/S zu versorgen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf Versorgung mit einem Elektrorollstuhl des Modells C 1000 DS/S streitig.
Der 1982 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Nachdem zunächst mit Kostenvoranschlag vom 01.07.2013 ein Elektrorollstuhl begehrt wurde, wurde dem Kläger mit Schreiben vom 26.11.2013 geschildert, dass er nach Auffassung der Beklagten über einen für seine Bedürfnisse individuellen angepassten voll funktionstüchtigen Elektrorollstuhl verfüge. Da der zur Verfügung stehende Rollstuhl aktuell genutzt werden könne und keine Defekte aufweise, könne eine Ersatzbeschaffung nicht beauftragt werden. Vorrangig komme bei auftretenden Defekten immer eine Instandsetzung in Betracht. Die jetzige Ausstattung mit einem weiteren Elektrorollstuhl würde eine gesetzlich unzulässige Doppelversorgung darstellen.
Mit einer auf den 22.01.2014, bei der Beklagten eingegangen am 24.01.2014, Verordnung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. U. begehrt der Kläger erneut einen neuen Elektrorollstuhl als Austausch für den vorhandenen Elektrorollstuhl bei nicht näher als schlaff oder spastisch bezeichnete Aparese und Tetraplegie. Gleichzeitig wurde ein Kostenvoranschlag, datiert auf den 23.01.2014, für den Elektrorollstuhl C 1000 DS/S in Höhe von insgesamt 55.257,65 Euro eingereicht. Dem Kostenvoranschlag ist insbesondere zu entnehmen, dass für den vorhandenen Elektrorollstuhl keine Ersatzteile mehr lieferbar seien und dass der Kläger mit der neuen Steuerung mehr Selbständigkeit erreiche und damit eine bessere Teilnahme auf öffentlichen Leben gewährleistet werden könne. Ausweislich dem Inhalt der Verwaltungsakte hatte die Beklagte erstmalig am 31.01.2014 in der bei ihr zuständigen Fachabteilung nachgefragt, wie weiter vorzugehen sei, da es sich um eine Ersatzbeschaffung handele und extrem hohe Kosten in Rede stehen würden.
Weiter ist der Verwaltungsakte eine erneute Erinnerung an die Fachabteilung vom 14.03.2014 zu entnehmen.
Mit Schreiben vom 13.03.2014, bei der Beklagten eingegangen am 14.03.2014, erinnerte der Kläger nochmals an die Bearbeitung seines Antrages vom 23.01.2014. Das begehrte Modell sei mit Kopf- und Fußsteuerung ausgerüstet und sei auf dem derzeitigen Rollstuhlmarkt das einzig erhältliche Modell, welches die schweren Einschränkungen des Klägers adaptieren könnte. Der Rollstuhl sei beispielsweise um 90 Grad drehbar und die Kurvengängigkeit sei größer. Zudem werde das Modell erstmalig eine Sitzhöhenverstellung und Sitzkippung mit elektronischer Regelung enthalten, welches für den Kläger eine neue Selbständigkeit bedeute. Das genutzte Modell sei 16 Jahre alt und erheblich störungsanfällig. Es werde nunmehr um Bearbeitung des Antrages binnen 3 Wochen gebeten; andernfalls müsse der Rechtsweg beschritten werden.
Mit der bei dem hiesigen Gericht am 14.04.2014 eingegangenen Leistungsklage verfolgt der Kläger sein Begehren fort. Unter Hinweis auf die bereits im Verwaltungsverfahren geschilderten Vorteile weist der Kläger darauf hin, dass die gesetzliche Frist zur Bearbeitung derartiger Anträge gemäß § 13 Abs. 3 a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) abgelaufen sei und die Beklagte auch nach einer weiteren Erinnerung vom 13.03.2014 nicht binnen Dreiwochenfrist auf den Antrag reagiert habe. Bei dem Rollstuhl handele es sich auch um eine Leistung innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung. Zudem entspreche die Leistung dem Qualitäts- als auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Der Rollstuhl des Klägers sei in die Jahre gekommen und erfülle bestimmte Voraussetzungen nicht...