Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Rente wegen Erwerbsminderung bei einem psychischen Leiden. Voraussetzung der Annahme einer Unverwertbarkeit eines Sachverständigengutachtens

 

Orientierungssatz

1. Ein Sachverständigengutachten in einem sozialgerichtlichen Verfahren ist nicht schon deshalb unverwertbar, da das Ergebnis der Begutachtung einer anderen gutachterlichen Einschätzung widerspricht (hier: Begutachtung durch den Vertrauensarzt). Eine Unverwertbarkeit kommt vielmehr nur dann ausnahmsweise in Betracht, wenn der ausgewählte Gutachter für das zu beurteilende Fachgebiet nicht einschlägig qualifiziert ist, die Diagnose nicht eindeutig aus den Befunden hergeleitet oder etwa die Trennung zwischen Anamnese und Befunderhebung nicht eindeutig erfolgt ist.

2. Einzelfall zur der Feststellung des Vorliegens einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit aufgrund einer psychischen Erkrankung als Voraussetzung der Gewährung einer Erwerbsminderungsrente (hier: Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen verneint).

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Weitergewährung von Rente wegen Erwerbsminderung über den Monat Februar 2018 hinaus streitig.

Der 1967 in der Türkei geborene Kläger ist verheiratet und Vater von zwei mittlerweile erwachsenen Kindern. Er bezieht von der Beklagten Rente wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau. Weiter bezieht der Kläger gegenwärtig Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Zudem gewährte die Beklagte dem Kläger in der Vergangenheit Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit, welche mehrfach, zuletzt bis Ende Februar 2018, verlängert wurde.

Gegen Ende des Jahres 2017 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsminderung über den 28.02.2018 hinaus, woraufhin die Beklagte Ermittlungen zum Gesundheitszustand des Klägers aufnahm. Sie veranlasste insbesondere eine Untersuchung und Begutachtung durch Dr. F am 14.03.2018. Dr. F führte in seinem Gutachten vom 21.03.2018 u.a. aus, dass zwar eine gewisse depressive Symptomatik seit Jahren vorliege, eine abschließende Diagnose aufgrund der erheblichen Aggravationen jedoch nicht möglich erscheine. Mit Bescheid vom 11.04.2018 lehnte die Beklagte den Weiterzahlungsantrag ab. Zwar sei bei dem Kläger eine gewisse depressive Symptomatik anzunehmen, allerdings ergebe sich hieraus für die Zeit ab dem 01.03.2018 weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung.

Hiergegen erhob der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten Widerspruch und machte zur Begründung im Wesentlichen geltend, dass das Leistungsvermögen aufgehoben sei und verwies auf die Stellungnahme des behandelnden Psychiaters Dr. N vom 13.06.2018. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2018 wies der Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Angaben von Dr. N bekannt seien und bereits sozialmedizinisch gewürdigt worden seien. Insgesamt sei auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens ein Leistungsvermögen, das die Annahme eines Leistungsfalles der vollen oder teilweisen Erwerbsminderung rechtfertigen würde, nicht mehr gegeben.

Mit seiner - unter dem 27.08.2018 erhobenen - Klage verfolgt der Kläger sein Weiterzahlungsbegehren fort. Er ist im Wesentlichen der Ansicht, dass seine Erkrankungen die Weitergewährung rechtfertigen würden und verweist erneut auf die Bescheinigung des behandelnden Facharztes Dr. N aus dem Widerspruchsverfahren. Weiter meint er, dass seine Verdeutlichungsneigung krankheitsbedingt sei.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

den Bescheid der Beklagten vom 11.04.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.08.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 28.02.2018 hinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf den Inhalt und die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids.

Das Gericht hat zum Gesundheitszustand bzw. Leistungsvermögen des Klägers Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte sowie eines schriftlichen nervenärztlichen Gutachtens von Fr. Dr. X (Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie) vom 26.04.2019.

Die Sachverständige Fr. Dr. X hat aufgrund eigener Begutachtung - nebst testpsychologischer Untersuchung - am 27.03.2019 in psychiatrischer Hinsicht allenfalls eine Dysthymie, d.h. eine leichte Verstimmtheit, diagnostiziert. Keineswegs handele es sich um eine schwere Depression. Entgegen den Attesten des behandelnden Arztes seien keine psychotischen Phänomene gegeben. Weiter seien insbesondere im Rahmen der durchgeführten Beschwerdevalidierung bewusste Aggravationen festzustellen gewesen. Auch sei das Verhalten während der Untersuchung hoch auffällig und bewusstseinsnah gesteuert gewesen. Ferner hat sie ausgeführt, dass im Hinblick auf die ...

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