Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitssuchende: Leistungsausschluss für EU-Ausländer. Aufenthaltsrecht aufgrund des Freizügigkeitsrechts. Verteilung einer Obdachlosenzeitschrift als Erwerbstätigkeit
Orientierungssatz
1. Ein EU-Ausländer, der seinen Lebensunterhalt lediglich durch das Verteilen und den Verkauf einer Obdachlosenzeitschrift bestreitet, kann sich nicht auf ein aus dem Freizügigkeitsrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht als Selbständiger oder Erwerbstätiger berufen.
2. Stellt ein EU-Ausländer einen Antrag auf Grundsicherungsleistungen, so begründet das damit bekundete Interesse an der Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche im Rahmen des Rechts zur Freizügigkeit. Allerdings ist er in diesem Fall jedenfalls dann, wenn er nicht daneben noch aus einem anderen Grund ein Aufenthaltsrecht ableiten kann, vom Bezug der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende ausgeschlossen. Einem solchen Leistungsausschluss stehen jedenfalls bei einem rumänischen Staatsbürger keine europarechtlichen Regelungen entgegen.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Kläger begehren von dem Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) einschließlich Kosten der Unterkunft.
Der am ... geborene Kläger zu 1) und die am ... geborene Klägerin zu 2) sind Eheleute. Der am geborene Kläger zu 3) und der am geborene Kläger zu 4) sind die Söhne der Kläger zu 1) und 2) und besuchen die Hauptschule. Die Kläger sind rumänische Staatsangehörige. Sie reisten am 30.09.2008 in die Bundesrepublik ein. Dem Kläger zu 1) wurde am 24.06.2009 eine Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 Freizügigkeitsgesetz (FreizügG/EU) erteilt.
Einen Antrag der Kläger auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II lehnte der Beklagte mit bindendem Bescheid vom 01.12.2009 ab. In der Folgezeit lebten die Kläger von Einkünften, die die Kläger zu 1) und 2) durch den Verkauf der Obdachlosenzeitung "Fifty-Fifty" in Düsseldorf erzielten, von dem für die Kläger zu 3) und 4) gezahlten Kindergeld sowie den Leistungen karitativer Einrichtungen (Diakonie, Tafel e.V. Gelsenkirchen).
Mit Bescheid vom 19.10.2010 lehnte der Beklagte den erneuten Antrag der Kläger auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ab. Zur Begründung führte er aus, die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen lägen nicht vor, weil sie lediglich ein alleiniges Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland hätten. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2010 als unbegründet zurück.
Die Kläger beantragten bei dem erkennenden Gericht am 17.12.2010 den Erlass einer einstweiligen Anordnung die unter dem Aktenzeichen S 31 AS 2710/10 ER geführt und mit Beschluss vom 09.02.2011 abgelehnt wurde. Zur Begründung führte das Gericht aus, die hiesigen Kläger seien vom Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, weil sie Ausländer mit dem alleinigen Aufenthaltszweck der Arbeitssuche seien. Ein gemeinschaftsrechtliches Freizügigkeitsrecht ergebe sich nicht aus dem Verkauf der Obdachlosenzeitung, weil dies keine Tätigkeit sei, deren Ausübung eine Verknüpfung zum Arbeitsmarkt herstelle. Gegen den Beschluss des Sozialgerichts legten die Kläger Beschwerde beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) ein, welche unter dem Aktenzeichen L 6 AS 356/11 B ER geführt wurde.
Die Kläger haben am 10.01.2011 Klage erhoben, mit welcher sie ihr Begehren weiterverfolgen. Sie sind der Ansicht, ein Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II bestehe. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greife nicht.
Auf die Beschwerde der Kläger hat das LSG NRW (Aktenzeichen L 6 AS 356/11 B ER) den Beschluss des erkennenden Gerichts geändert und den Beklagten verpflichtet, den Klägern vorläufig bis zur Bestandskraft des angefochtenen Bescheides vom 19.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2010, längstens bis zum 17.11.2011 Regelbedarfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Berücksichtigung des an den Kläger zu 3) gezahlten Kindergeldes sowie Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu gewähren. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, im einstweiligen Rechtsschutzverfahren sei nicht abschließend zu klären, ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greife. Es bestünden erhebliche Zweifel, ob der Leistungsausschluss mit dem Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union vereinbar sei. Eine Folgenabwägung falle angesichts der schwierigen und komplexen Rechtsfragen unter Berücksichtigung drohender existenzieller Nachteile zu Gunsten der hiesigen Kläger aus.
Die Kläger haben am 07.11.2011 erneut Leistungen nach dem SGB II beantragt. Der Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 15.11.2011 mit der Begründung ab, die Voraussetzun...