Entscheidungsstichwort (Thema)
Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bei Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung - Auslegung eines Befreiungsbescheides - Bindungswirkung
Orientierungssatz
1. Die Bindungswirkung eines Verwaltungsakts gemäß § 77 SGG bestimmt sich nach den in seinen Verfügungssätzen getroffenen Regelungen (BSG Urteil vom 20. 6. 1984, 7 RAr 91/83). Maßgeblich ist nach §§ 133, 157 BGB deren Auslegung nach dem Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten.
2. Erklärt der Rentenversicherungsträger in einem Bescheid nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB 6, dass ein als Rechtsanwalt zugelassener Jurist für die Dauer der Pflichtmitgliedschaft im Rechtsanwaltsversorgungswerk von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung befreit ist, so besagt dies, dass der Betreffende für die gesamte Dauer seiner Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung für jede ausgeübte Beschäftigung bei dem zum Befreiungszeitpunkt angegebenen Arbeitgeber befreit ist.
3. Betriebsübergaben lassen bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses die Regelungswirkung nicht entfallen.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 23.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2015 wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Kläger aufgrund des Bescheides der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 09.08.1995 weiterhin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist.
Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Befreiung des Klägers von der Rentenversicherungspflicht.
Der XXXX geborene Kläger ist Volljurist. Er wurde aufgrund eines Dienstvertrages vom XX.XX.XXXX ab dem XX.XX.XXXX bei dem Unternehmen L eingestellt. Als Tätigkeit wird im Vertrag aufgeführt: "Jurist X".
Zum XX.XX.XXXX ging das Arbeitsverhältnis auf die P über, was dem Kläger mit Schreiben vom XX.XX.XXXX mitgeteilt wurde. Die P firmierte anschließend um in M GmbH.
Der Kläger ist seit dem XX.XX.XXXX als Rechtsanwalt zugelassen und seit dem XX.XX.XXXX Pflichtmitglied des Rechtsanwaltsversorgungswerkes Nordrhein-Westfalen.
Am XX.XX.XXXX beantragte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), mit dem Formblatt "Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht" die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu Gunsten des Rechtsanwaltsversorgungswerkes Nordrhein-Westfalen. Er gab an, dass er seit dem XX.XX.XXXX Pflichtmitglied bei dem Rechtsanwaltsversorgungswerk Nordrhein-Westfalen sei. Er gab weiter an, dass er bei der Arbeitgeberin M GmbH beschäftigt sei, das derzeitige Beschäftigungsverhältnis habe am XX.XX.XXXX begonnen. Es wurde von der BfA nicht abgefragt, welche konkrete Tätigkeit der Kläger bei seinem Arbeitgeber ausüben werde.
Die BfA erließ daraufhin unter dem XX.XX.XXXX einen Bescheid über die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der Fassung vom 18.12.1989 ab dem XX.XX.XXXX. In dem Bescheid wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
"Auf ihren Antrag werden sie von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten befreit.
Die Befreiung wirkt erst ab Beginn der Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung.
Die Befreiung gilt für die Dauer der Pflichtmitgliedschaft und einer daran anschließenden freiwilligen Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung unter Beibehaltung der Mitgliedschaft in der jeweiligen Berufskammer, soweit Versorgungsabgaben in gleicher Höhe geleistet werden, wie ohne die Befreiung Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten zu zahlen wären. Sie ist grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt.
Die Befreiung erstreckt sich auch auf andere versicherungspflichtige Beschäftigungen oder Tätigkeiten, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt sind und insoweit satzungsgemäß einkommensbezogene Beiträge zur Versorgungseinrichtung gezahlt werden.
Die BfA hat bei Wegfall der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch zu widerrufen.
Sie sind daher verpflichtet, der BfA die Umstände anzuzeigen, die zum Wegfall der Voraussetzungen für die Befreiung führen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn
- die Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung endet
- Versorgungsabgaben nicht mehr in der dem Einkommen entsprechenden Höhe zu entrichten sind.
Die Befreiung endet erst mit dem förmlichen Widerruf durch die BfA.
Die als Anlage beigefügte Bescheinigung über die Befreiung ist dem Arbeitgeber bzw. der Stelle auszuhändigen, die sonst zur Zahlung der Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung der Angestellten verpflichtet wäre.
Falls sie inzwischen ihren Arbeitgeber gewechselt haben, bitten wir den früheren (vorherigen) Arbeitgeber von der Befreiung zu verständigen."
Dem Besch...