Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuordnung eines Betriebs zu einer bestimmten Gefahrklasse bzw. einer bestimmten Gefahrtarifstelle durch den Unfallversicherungsträger

 

Orientierungssatz

1. Bei der Veranlagung eines Betriebs zu einer bestimmten Gefahrklasse bzw. einer bestimmten Gefahrtarifstelle durch den Unfallversicherungsträger nach §§ 157, 159 SGB 7 darf sich dieser auf das sog. Gewerbezweigprinzip stützen. Hierbei kommt es für die Bildung der Gewerbezweige und die Zuordnung entscheidend auf die in der jeweiligen Unternehmensart anzutreffenden Arbeitsbedingungen an.

2. Im Gewerbezweigtarif ist die Zusammenfassung mehrerer Gewerbezweige mit wenigstens annähernd gleichen Risiken zulässig und geboten, und zwar nach den Prinzipien des Belastungsprinzips und des Technologieprinzips.

3. Ein Gewerbezweig ist aus einer Gefahrtarifstelle auszugliedern, wenn seine Durchschnittsgefahr wesentlich von den anderen in der Tarifstelle zusammengefassten Gewerbezweigen abweicht. Vor der Ausgliederung muss über einen längeren Zeitraum die Belastung signifikant von den übrigen Gewerbezweigen abweichen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt. Der Streitwert wird auf 9.816,42 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Aufhebung und Änderung eines Veranlagungsbescheides.

Unternehmensgegenstand der Klägerin ist die enterale und parenterale Ernährung sowie Stomaversorgung.

Die Klägerin wurde durch Bescheid vom 27.11.2000 ab dem 01.04.2000 bei der Beklagten aufgenommen und zur Gefahrtarifstelle 06 "übrige Einrichtungen des Gesundheitswesens" nach der Gefahrklasse 2,4 veranlagt.

Der Mitarbeiter der Beklagten M suchte die Klägerin zur Überprüfung der Veranlagung auf und vertrat im Bericht vom 19.06.2012 die Auffassung, dass das Unternehmen der Klägerin einer Versandapotheke vergleichbar sei mit einer Veranlagung zur Tarifstelle 4.

Mit Veranlagungsbescheid vom 29.11.2012 erfolgte daraufhin eine Veranlagung zum 3. Gefahrtarif in die Gefahrtarifstelle 4 "Apotheken" mit der Gefahrklasse 2,10 ab dem 01.01.2012. Mit weiterem Veranlagungsbescheid vom 29.11.2012 zum 4. Gefahrtarif erfolgte ebenfalls eine Veranlagung in die Gefahrtarifstelle 4 "Apotheken" mit der Gefahrklasse 1,98 ab dem 01.01.2013.

Am 07.02.2013 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass ihrer Auffassung nach die Einstufung als Apotheke unzutreffend sei. Unternehmen, wie das der Klägerin, seien mit dem Strukturschlüssel 071 für ambulante, sozialpflegerichte Dienste zu veranlagen. Es sei bezüglich der Veranlagung eines vergleichbaren Unternehmens eine Klage beim Sozialgericht (SG) T anhängig. Die Beklagte wolle den Ausgang dieses Verfahrens abwarten. Sofern ihre Auffassung bestätigt werde, würde die Veranlagung der Klägerin mit Wirkung für die Zukunft geändert.

Nachdem das Sozialgericht Speyer mit Urteil vom 14.03.2013 (Az.: S 12 U 60/12) die dortige Klage abgewiesen und entschieden hatte, dass ein Unternehmen zur Organisation , Beratung und Vermittlung von enteraler und parenteraler Ernährung in die Gefahrtarifstelle 15 zuzuordnen sei, hörte die Beklagte die Klägerin am 06.01.2014 zur beabsichtigten Änderung der Veranlagung ab dem 01.01.2014 an.

Mit Veranlagungsbescheid vom 24.01.2014 wurde die Klägerin ab dem 01.02.2014 zur Gefahrtarifstelle 15 "ambulante sozialpflegerische Dienste/ambulante Hospizarbeit" Gefahrklasse 6,07 veranlagt.

Dagegen legte die Klägerin am 30.01.2014 Widerspruch ein. Sie führte aus, es würden nicht unbedingt Pflegekräfte benötigt. Die tatsächliche Versorgung der Patienten werde durch ambulante Dienste oder Personal in Heimen durchgeführt.

Die Beklagte zog Auskünfte von dem Internetauftritt der Klägerin bei, u. a. eine Stellenausschreibung, wonach eine Ausbildung als examinierte Krankenschwester erforderlich sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.05.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Veranlagung zur Gefahrtarifstelle 15 mit der Gefahrklasse 6,07 sei unter dem Aspekt der Gewerbezweigzugehörigkeit nicht zu beanstanden. Sie habe gemäß §§ 160 Abs. 3 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII), 45 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) die zu niedrigere Gefahrklasse im Veranlagungsbescheid ändern dürfen. Eine Abwägung der Interessen der Klägerin mit denen der Solidargemeinschaft habe ergeben, dass die Beibehaltung der deutlich niedrigeren Gefahrklasse nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft gehen dürfe. Es wäre nicht zu vertreten, dass die Klägerin aufgrund der niedrigeren Gefahrklasse niedrigere Beiträge entrichte als gleichartige Unternehmensarten. Der Gefahrklassenanstieg sei nur die Konsequenz der zu günstigen Gefahrklasse zuvor. Hiervon habe die Klägerin für einen vergleichbar langen Zeitraum profitiert.

Hiergegen hat die Klägerin am 13.06.2014 Klage erhoben. Sie trägt vor, es sei keine Vertrauensschutzabwägung vorgenommen worden. Die Beklagte missachte die 2-Jahres-Frist des § 45 Abs. 3 SGB X. Die vorausgehende Einstufung vergleichbar einer Apotheke sei zutreffend. Es würden ...

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