Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung eines Berufsgrundbildungsjahres als Anrechnungszeit
Orientierungssatz
1. Nach § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB 6 sind Zeiten, in denen Versicherte nach vollendetem 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben, Anrechnungszeiten. Maßgeblich ist, ob die Maßnahme berufsorientiert ist oder ob sie vielmehr auf eine Persönlichkeitsentwicklung gerichtet ist.
2. Ein Berufsgrundbildungsjahr ist dann nicht als allgemeinbildende Schulausbildung, sondern als berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme zu qualifizieren, wenn es im Rahmen einer Berufsausbildung zwingend vorgeschrieben ist und auf die Dauer der Ausbildungszeit angerechnet wird.
3. Entspricht inhaltlich das Berufsgrundbildungsjahr nicht dem Ausbildungsberuf, so ist es nicht als berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme, sondern als Schulausbildung zu werten. Dies ist u. a. dann der Fall, wenn der Betreffende das Berufsgrundbildungsjahr im Bereich Holztechnik zurückgelegt hat, sich dann aber für das Erlernen des Bäckerhandwerks entschieden hat. In einem solchen Fall war das Berufsgrundbildungsjahr nicht berufsvorbereitend, sondern vielmehr berufsfindend.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Zeitraum vom 21.09.1979 bis 14.09.1980, in welchem der Kläger ein Berufsgrundbildungsjahr absolvierte, als Anrechnungszeit wegen Fachschulausbildung in Ansatz zu bringen sei. Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Berufsgrundbildungsjahres als berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme statt einer Einordnung als Schulausbildung.
Der 1962 geborene Kläger besuchte im Schuljahr 1979/1980 die Berufsschule in C. und absolvierte dort ein Berufsgrundbildungsjahr im Berufsfeld "Holztechnik" in vollzeitschulischer Form. Der Unterricht umfasste in der Fachtheorie die Fächer Holz, Holzwerkstoffe und ihre Bearbeitung I; Holz, Holzwerkstoffe und ihre Bearbeitung II; Berufsbezogenes Rechnen I; Berufsbezogenes Rechnen II; Berufsbezogenes Zeichnen I; Berufsbezogenes Zeichnen II; Holzverbindungen und Verbindungsmittel; Kunststoffe, Klebstoffe und ihre Verarbeitung; Metalle, Glas und ihre Verarbeitung. Der Unterricht beinhaltete zudem in der Fachpraxis die Fächer Holz, Holzwerkstoffe und ihre Bearbeitung I und II; Holzverbindungen und Verbindungsmittel; Kunststoffe, Klebstoffe und ihre Verarbeitung; Metalle, Glas und ihre Verarbeitung. Im berufsfeldübergreifenden Lernbereich wurde der Kläger außerdem in den Fächern Politik und Wirtschaft; Deutsch und Sport unterrichtet. Der Besuch des Berufsgrundbildungsjahres - Berufsfeld Holztechnik - wird ausweislich des Zeugnisses der Berufsschule in C. vom 09.07.1980 (Bl. 10 der Gerichtsakte) als erstes Jahr der Berufsausbildung in den diesem Berufsfeld zugeordneten Ausbildungsberufen angerechnet. Im Anschluss an das Berufsgrundbildungsjahr entschied sich der Kläger gegen die zunächst beabsichtigte Aufnahme einer Schreinerlehre. Stattdessen absolvierte er eine dreijährige Bäckerlehre.
Am 24.02.2005 beantragte der Kläger die Anerkennung der Zeit vom 21.09.1978 bis 31.08.1980 (Ausbildungsart: Schule) als Anrechnungszeittatbestand nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI).
Hierzu legte er das Abschlusszeugnis der Schule für Lernbehinderte in D. vom 05.07.1979 vor, wonach der Kläger am Unterricht des neunten Schuljahres der Hauptstufe teilgenommen hat. Außerdem legte er das Zeugnis der Berufsschule in C. vom 09.07.1980 vor, wonach er im Schuljahr 1979/1980 das Berufsgrundbildungsjahr in vollzeitlicher Schulform besucht habe.
Mit Bescheid vom 10.05.2005 wurden die im Versicherungsverlauf des Klägers enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Jahre zurückliegen (d.h. die Zeiten bis zum 31.12.1998) nach § 149 Abs. 5 SGB VI festgestellt. Die Zeit vom 01.08.1979 bis 14.09.1980 wurde als Schulausbildung ausgewiesen.
Am 10.06.2005 legte der Kläger gegen diesen Bescheid vom 10.05.2005 Widerspruch ein mit der Begründung, dass die Zeit vom 21.09.1978 bis 09.07.1980 als Anrechnungszeit wegen Fachschulausbildung anzuerkennen sei.
Mit Bescheid vom 12.05.2005 wurde festgestellt, ob und welche der angegebenen Zeiten für die gesetzliche Rentenversicherung erheblich sind und anerkannt werden.
Die Zeit vom 21.09.1978 bis 05.07.1979 sowie die Zeit vom 06.07.1979 bis 31.07.1979 wurde als Zeit der schulischen Ausbildung vorgemerkt und im Versicherungsverlauf als vorgemerkte Zeit der Schulausbildung ausgewiesen.
Gegen die Bescheide vom 10.05.2005 und 12.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2005 erhob der Kläger am 10.10.2005 Klage bei dem Sozialgericht Gießen, welche er mit Schreiben vom 16.01.2006 zurücknahm (S 13 R 583/05).
Mit Bescheid vom 01.03.2011 stellte die Beklagten im diesem beigefügten Versicherungsverlauf die dort enthaltenen Daten bis zum 31.12.2004 gem. § 149 Abs. 5 SGB VI verbind...