Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines Erlasses rückständiger Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung
Orientierungssatz
1. Gemäß § 256a SGB 5 soll die Krankenkasse bei Versicherten, die das Vorliegen der Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB 5 erst nach einem der in § 186 Abs. 11 S. 1 und 2 SGB 5 genannten Zeitpunkte bis zum 31. 12. 2013 anzeigen, den für die Zeit nach Eintritt der Versicherungspflicht nachzuzahlenden Beitrag und die darauf entfallenden Säumniszuschläge nach § 24 SGB 4 erlassen.
2. In § 256 Abs. 4 S. 1 SGB 5 hat der Gesetzgeber den Spitzenverband Bund der Krankenkassen ermächtigt, Näheres zum Erlass von Beiträgen und Säumniszuschlägen zu regeln, insbesondere einen Verzicht auf die Inanspruchnahme von Leistungen als Voraussetzung für den Erlass.
3. Nach § 2 der Einheitlichen Grundsätze zur Beseitigung finanzieller Überforderung bei Beitragsschulden setzt der Erlass der Beiträge voraus, dass das Mitglied schriftlich erklärt, während des Nacherhebungszeitraums Leistungen für sich nicht in Anspruch genommen zu haben.
4. Die Einheitlichen Grundsätze enthalten aber keine Ermächtigung bezüglich des Erlasses, wenn Versicherte Leistungen bereits in Anspruch genommen haben, die abgerechnet worden sind.
Tenor
1. Der Bescheid vom 25.11.2013 und der Widerspruchsbescheid vom 25.02.2015 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nebst Säumniszuschlägen für den Zeitraum vom 02.09.2010 bis 31.08.2012 zu erlassen.
2. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
Im Streit steht der Erlass von rückständigen Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Die 1990 geborene Klägerin war bis 01.09.2010 aufgrund des Bezuges von Arbeitslosengeld bei der Beklagten pflichtversichert. Im Anschluss war die Klägerin nicht kranken- und pflegeversichert. In der Zeit vom 08.03.2011 bis 10.05.2012 wurden für die Klägerin diverse ambulante Behandlungen durch unterschiedliche Vertragsärzte bei der Beklagten abgerechnet.
Anfragen zu dem Versicherungsschutz beantwortete die Klägerin nicht und die Beklagte stellte mit Bescheid vom 27.09.2012 fest, dass die Versicherung der Klägerin ab 02.09.2010 bei der Beklagten fortgesetzt werde, da davon ausgegangen würde, dass keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall bestehe. Da die Klägerin keine Angaben gemacht hatte, setzte die Beklagte den Höchstbeitrag fest und berechnete die Beiträge seit September 2010 bis August 2012 in Höhe von 15.079,97 EUR nach. Nachdem die Klägerin Einkommensnachweise vorgelegt hatte, reduzierte die Beklagte die nachzuzahlenden Beiträge auf 8.493,43 EUR.
Mit Schreiben vom 02.10.2013 beantragte die Klägerin den Erlass der Beiträge aufgrund des Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden. Den Antrag der Klägerin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.11.2013 ab. Ein Erlass der Beiträge sei nicht möglich, da die Klägerin im erstattungsfähigen Zeitraum Leistungen in Anspruch genommen habe. Die Beklagte reduzierte aber die Höhe der Säumniszuschläge, so dass ein Betrag von 7.354,66 EUR offen war.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 27.11.2013 Widerspruch und machte geltend, die Beiträge seien nach dem Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung zu erlassen. Sie sei nachrangig in der Familienversicherung versichert gewesen. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2015 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte u. a. aus, ab 02.10.2010 habe kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall bestanden, so dass die Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ab dem 02.09.2010 durchzuführen gewesen sei. Eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall sei erst ab dem 01.05.2013 nachgewiesen, so dass die Pflichtversicherung am 30.04.2013 ende. Ein Erlass der Beiträge scheide aus. Gemäß § 256a Abs. 4 SGB V habe der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) das Nähere zur Ermäßigung und zum Erlass von Beiträgen und Säumniszuschlägen in den nach den Absätzen 1 bis 3 des § 256a SGB V zu regeln, insbesondere zu einem Verzicht auf Inanspruchnahme von Leistungen als Voraussetzung für die Ermäßigung oder den Erlass. Ein Beitragserlass sei nur möglich, wenn im Nacherhebungszeitraum keine Leistungen in Anspruch genommen wurden bzw. im Falle bereits in Anspruch genommener Leistungen auf eine Kostenübernahme oder Kostenerstattung verzichtet werde. Die Inanspruchnahme von Leistungen im Nacherhebungszeitraum durch das Mitglied schließe den Erlass vollständig aus, und zwar unabhängig davon, in welchem Zeitpunkt innerhalb des Nacherhebungszeitraums und in welchem Umfang Leistungen beansprucht worden seien. Die Klägerin habe im Nacherhebungszeitraum Leistungen in Form von ambulanter ärztlicher Behandlung bei unterschiedlichen Vertragsärzten in der Zeit vom 08.03.2011 bis 10.05.2012...